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Eingebettet in Microsoft Dynamics Finance & Supply Chain Management

In den letzten Jahren ist die Zahl der PLM-Anbieter kontinuierlich geschrumpft. Besonders in Deutschland und dem deutschsprachigen Raum findet sich kaum noch lokale Software. Mit Bluestar PLM gibt es nun einen neuen Namen, obwohl die Software bereits seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt ist. Sie kommt aus Aalborg in Dänemark, wo das Entwicklungshaus PDM technology Group ApS seinen Sitz hat. 2023 wurde Bluestar PLM zum ersten Mal auf der Hannover Messe gezeigt. PDM technology Deutschland hat seinen Sitz in Handewitt bei Flensburg.

Bluestar PLM ist anders als die meisten anderen PLM-Systeme. Es ist nämlich vollständig in Microsoft Dynamics Finance & Supply Chain Management (F & SCM) eingebettet. Das ist der jüngste Name für die ERP-Software von Microsoft. Bluestar PLM ist in der Sprache dieser Software geschrieben und funktioniert als ein Modul dieser Software, und das war von Anfang an so.

Ich konnte ein interessantes Gespräch mit Dr. Jørgen Schiønning Larsen führen, dem Gründer und CEO der PDM technology Group.

Interview mit Dr. Jørgen Schiønning

Ulrich Sendler: Herr Dr. Schiønning, als Sie 2001 PDM technology gründeten, blickten Sie bereits auf mehr als zehn Jahre industrielle Softwareentwicklung und Beratung rund um CAD/CAM in Engineering und Produktion zurück. Was war die ursprüngliche Idee für den Neustart?

Jørgen Schiønning: Am Anfang standen zwei Gedanken. Erstens: Ingenieure brauchen eine PLM-Lösung, um auf alle Produktdaten zugreifen zu können, die sie während des gesamten Produktlebenszyklus benötigen. Und zweitens – das stellte sich als noch entscheidender heraus – muss PLM sehr eng mit ERP verbunden sein.

Als Werkzeugmacher und Maschinenbauingenieur hatte ich hauptsächlich in und für Unternehmen gearbeitet, die im Bereich Engineer to Order tätig waren. Grundfos zum Beispiel, wo wir in den frühen achtziger Jahren mit der Entwicklung von eigener CAD/CAM-Software auf der Grundlage von Computervision begannen.

Dr. Jørgen Schiønning Larsen, Gründer und CEO von PDM technology (Foto PDM technology)

Damit konnten wir mit Hilfe von Parametrik automatisch die Zeichnungen und den Maschinencode für die NC-Fertigung erstellen. Das war damals sehr neu und ungewöhnlich in der Industrie. Zehn Jahre lang entwickelte und lieferte mein eigenes Unternehmen dann Software, mit der Plot-Dateien aus CAD-Systemen schnell auf einem PC darzustellen waren. Wir haben für mehrere große Werften und deren Zulieferer gearbeitet, was eine sehr typische Branche für Engineer to Order ist. Kein Schiff ist wie das andere, aber die Wiederverwendung von Teilen und Komponenten ist entscheidend.

Ulrich Sendler: Was macht den großen Unterschied in der Konstruktion aus?
Jørgen Schiønning: Engineer to Order unterscheidet sich sehr von der Arbeit eines typischen Designers, der das Produkt von der Idee bis zur Fertigungsfreigabe gestaltet, was er fast ausschließlich innerhalb von CAD und PLM tun kann. Im Engineer-to-Order-Geschäft dagegen beginnt man mit bestehenden Produkten, Komponenten und Bauteilen, während man parallel dazu mit dem Kunden über seine konkreten Anforderungen an den aktuellen Auftrag, die Lieferzeit und die Preisgestaltung spricht. Ebenfalls parallel dazu beginnt man, mit Lieferanten und anderen Partnern zu sprechen. Deshalb braucht man hier beides, PLM und ERP, von Anfang an. Und deshalb haben wir unser Bluestar PLM in den späten Neunzigern innerhalb der ERP-Software Axapta von NavisionDamgaard entwickelt, auf der das Unternehmen eines unserer wichtigen Kunden lief.

Seit mehr als 20 Jahren ist Bluestar PLM ERP-embedded (Grafik PDM technology)

Embedded seit mehr als 20 Jahren

Ulrich Sendler: Das war vor der Übernahme von NavisionDamgaard durch Microsoft?

Jørgen Schiønning: Genau. Als Microsoft 2002 Axapta zum ERP-Teil seiner Plattform machte, waren wir bereits eingebettet und liefen als ein Modul von Axapta 3.0.

Ulrich Sendler: Wie hat die Industrie denn auf dieses Angebot reagiert? Ich weiß, dass viele Ingenieure auf der ganzen Welt und vor allem in Deutschland es nicht mögen, wenn ERP die „Nummer 1“ ist. Sie wollen, dass Engineering-Software vorne steht.

Jørgen Schiønning: In den Branchen, mit denen wir gesprochen haben, war das nicht die zentrale Frage. Aber die Unternehmen konnten sich einfach nicht vorstellen, dass es möglich ist, PLM in ERP einzubetten.

Ein weiteres Hindernis für uns war die Tatsache, dass fast jedes Unternehmen zu dieser Zeit die Entscheidungen für ERP und PLM getrennt voneinander traf. Mit dem bekannten Problem, dass man am Ende zwei verschiedene monolithische Softwaretools hat, deren Daten nur mit großem Aufwand vom einen ins andere konvertiert werden können, und wo sich die Systeme nicht ohne weiteres für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen nutzen lassen. Wir mussten ihnen praktisch zeigen, dass unsere Lösung gut funktioniert.

Ulrich Sendler: Da Sie seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt sind und nun noch in neue Regionen vordringen, scheint es Ihnen gelungen zu sein, Ihre Kunden zu überzeugen. Wie sind Sie gewachsen?

Jørgen Schiønning: Die Partnerschaft mit Microsoft erwies sich als ein sehr guter Ausgangspunkt. US-Unternehmen denken normalerweise globaler. Für sie war ein dänischer Anbieter also nichts Ungewöhnliches, und sie sahen die Microsoft-Plattform und die Einbettung unserer Software in das ERP-System als Vorteil an, mit Blick auf ihre globale Präsenz und ihre vielen Produktionsstandorte auf der ganzen Welt. Wir wuchsen um etwa 25 Prozent pro Jahr. Aber nicht im deutschsprachigen Raum. Heute machen wir etwa 60 Prozent unseres Geschäfts mit US-Unternehmen, und sie stellen einen großen Teil unseres Kundenstamms dar. Viele Jahre lang mussten wir uns damit abfinden, dass der europäische und insbesondere der deutsche Markt für uns schwierig war.

Ulrich Sendler: Was hat Sie dazu bewogen, den Industriestandort Deutschland erneut anzugehen?

„Die Pandemie hat die ganze Situation verändert“

Jørgen Schiønning: Die Pandemie hat die ganze Situation verändert. Die Menschen arbeiteten zu Hause und brauchten moderne, internetbasierte Lösungen. Sie wollten alle wichtigen Daten über ERP von zu Hause aus zugänglich haben. Vordefinierte Daten über Direktschnittstellen reichten plötzlich nicht mehr. Und wie konnten sie mit einer sicheren Verbindung zwischen verschiedenen Software-Tools arbeiten? Außerdem machten Industrie 4.0 und das industrielle Internet der Dinge Druck in dieselbe Richtung. Die Unternehmen begannen, einen neuen Blick auf die Microsoft-Plattform zu werfen. Und wir begannen, unsere Lösung erfolgreich bei deutschen Kunden vorzustellen. Übrigens ist unser Wachstum im ersten Jahr von Corona auf über 30 Prozent gestiegen, im letzten Jahr lag es sogar bei etwa 50 Prozent.

Ulrich Sendler: Microsoft ist nicht Marktführer im ERP-Bereich. War Ihre Entscheidung für diese Plattform die richtige?

Jørgen Schiønning: Sie haben Recht, Microsoft hat vielleicht nur 5 Prozent des ERP-Marktanteils. Aber es ist eine weit verbreitete und globale Plattform, die unsere Lösung unterstützt. Und die Einbettung in ihr ERP ist unser Alleinstellungsmerkmal. Alle reden seit vielen Jahren von der „Single Source of Truth“. Wir können das bieten. Es gibt keine bessere Art der Verbindung zwischen ERP und PLM. Unser PLM ist einfach Teil von ERP. Der Anwender muss gar nicht merken, dass er von einer PLM-Funktion zu einer ERP-Funktion wechselt. Er macht einfach seine Arbeit. Bluestar PLM folgt der Struktur der Prozesse des Kunden. Nicht andersherum, dass er seine Prozesse ändern muss, damit sie zur eingesetzten Software passen.

Bluestar PLM zeigt sich gut verbunden (Grafik PDM technology)

Ulrich Sendler: Wie schwierig ist die Implementierung von Bluestar PLM? Und wie einfach ist die Anpassung? PLM-Anwender versuchen ja normalerweise, die Engineering-Software optimal an ihre betrieblichen Bedingungen anzupassen.

Einfach und schnell, out oft he box

Jürgen Schiønning: Hier kommen wir zu einigen weiteren Vorteilen unserer Lösung. Ein normales mittelständisches Unternehmen braucht nicht mehr als 75 Tage unserer Beratung, um die Software zum Laufen zu bringen. Vielleicht hundert Tage. Aber das war’s. Und die Software läuft out oft he box. Die Kunden müssen sie nicht anpassen. Natürlich können sie das. Aber normalerweise fügen sie nur Felder für bestimmte Daten hinzu. Sie ändern nicht die Funktionalität. Weil es nicht notwendig ist. Und es gibt keine Schnittstelle für den Datenaustausch mit ERP, um die sie sich kümmern müssen.

Bluestar PLM im Einsatz (Foto PDM technology)

Ulrich Sendler: Wie sieht es mit der Anbindung an verschiedene CAD/CAM-Lösungen aus? Wie unterstützt Bluestar PLM den digitalen Zwilling?

Jørgen Schiønning: Wir unterstützen den digitalen Zwilling in 2D und 3D aus allen modernen CAD/CAM-Systemen wie SolidWorks, Solid Edge und Inventor, die über moderne APIs verfügen. Mit unserem 3D-CAD-Integrationsmodul können die Kunden ihr Produkt sehr einfach konfigurieren.

Ulrich Sendler: Welche Art von Industrieunternehmen ist Ihr typischer Kunde? Sind es eher die kleinen und mittleren Unternehmen?

Jørgen Schiønning: Nein, wir haben Unternehmen aller Größen, von 5 Ingenieursarbeitsplätzen bis zu 1.000 Arbeitsplätzen an 50 Standorten weltweit. Unser typischer Kunde ist im Engineer-to-Order-Geschäft tätig und hat normalerweise eine große Anzahl von Produktvarianten. Genau solche Unternehmen suchen oft nach einer Lösung auf Basis von Microsoft Azure.

Sie glauben an diese Plattform und wissen, dass die Software dann auf allen ihren Computern läuft. Insgesamt haben wir rund 125 Kunden mit mehr als 50.000 Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt.

Ulrich Sendler: Was ist mit der Rolle von PLM: Wird es als technisches Backbone weiterhin wichtig sein? Was denken Sie, welche Rolle wird PLM in Zukunft spielen?

Jørgen Schiønning: Wir sind überzeugt, dass die Bedeutung von PLM für die Industrie weiter zunimmt. Entscheidend wird aber sein, wie eng die Verbindung zu ERP und allen anderen implementierten IT-Systemen ist. Deshalb freuen wir uns sehr auf die Marktentwicklung in den kommenden Jahren. Die Menschen verstehen mehr und mehr die Vorteile des Arbeitens auf einer Plattform. Und wir haben zwei Jahrzehnte Erfahrung genau an diesem Punkt.

Ulrich Sendler: Lassen Sie mich Ihnen eine letzte Frage stellen: Was haben wir als nächstes von PDM technology zu erwarten? Haben Sie etwas Interessantes im Köcher, über das Sie sprechen können?

Jørgen Schiønning: Allerdings: Wir freuen uns, derzeit einen Prototyp in Betrieb zu haben, der auch die Microsoft Azure IoT-Plattform nutzt. Wenn also ein Maschinenbauer einen Sensor in seine Maschine einbaut, zeigt dieser Maschinentyp dem Kunden die Sensorliste so an, dass er in der Lage ist, den Gerätestatus mit Microsoft Dynamics 365 Connected Field Service zu verwalten. Dahinter steht das 3D-CAD-Modell der Maschine, des Geräts, des Sensors, das als digitaler Zwilling verwendet wird.

Wir betreten den europäischen Markt genau zum richtigen Zeitpunkt. Und bei Bluestar PLM werden immer mehr Funktionen für die Fertigungs- und Prozessindustrie hinzukommen.