Seite wählen

Vom 27.6. bis 30.6.  fand die Automatica 2023 in München statt. Der starke Besucherandrang sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier im Wesentlichen die seit Jahrzehnten bekannte und auch gefragte Art der Automatisierung und Robotik ausgestellt wurde. Doch auch wenn damit noch enorm viel Umsatz zu machen ist – die Branche braucht dringend digitale, datengetriebene Automatisierung auf Basis von App-Technologie. Das war in München schwer zu finden.

„Die Auftragsbücher sind voll und werden nach den pandemiebedingten Lieferengpässen auf Rekordniveau abgearbeitet, die Branche erwartet ein Umsatzplus von 13 %“, heißt es in der Pressemitteilung des Ausstellers IDS Imaging Development Systems zum Abschluss der Messe.

Und auch wenn Geschäftsführer Jan Hartmann auf die Rolle der KI als „Enabler-Technologie“ im eigenen Angebot hinweist, war auf der Automatica der altbekannte Roboter selbst in jeder Form, Größe und Funktion das Zugpferd.

Ausnahmen wie Bosch Rexroth mit seinem noch recht jungen Angebot ctrlX Automation oder die Rittal-Tochter German Edge Cloud mit dem ONCITE Digital Production System waren eher nicht die Besuchermagneten. Obwohl sie zu den Speerspitzen einer Entwicklung gehören, die die Automatisierung neu schreibt: App- und Cloud-Technologie, mit offenen Systemen wie Linux als Basis und REST API als Verbindungsstandard.

Am Stand von Kuka (Foto Sendler)

Zeit für digitalen Aufbruch in der Automation

Ich kenne keine valide Untersuchung, wie es in dieser Hinsicht um die Industrie in Sachen Automatisierung steht. Die wenigen Prozentpunkte, um die Energie-Effizienz und Nachhaltigkeit mit den alten Methoden der Robotik noch optimiert werden können, werden weder reichen, um den CO2-Fußabdruck der Industrie in ausreichendem Umfang zu verringern, noch genügt das, um vor allem der chinesischen Konkurrenz erfolgreich zu begegnen. Daran ändern auch selbstfahrende Transportsysteme viel zu wenig.

Bei Bosch Rexroth stand auch die App-Plattform ctrlX Automation im Zentrum (Foto Sendler)

Über lange Jahre waren die Anbieter von Industriesoftware wie Autodesk, Dassault Systèmes, PTC, SAP oder Siemens die Lieferanten der Technologien, mit denen die Industrie ihre Herausforderungen meistern konnte. Im jetzigen Stadium der digitalen Transformation sind sie nicht diejenigen, die auffallen. CAD, PDM/PLM und MES und anderes sind Teil der Basis, von der aus der nächste Schritt gemacht werden muss. Für die wirklich grundlegende Transformation und vor allem für das Tempo, das dabei rigoros verlangt wird, ist das nicht genug.

Vermutlich wird sich in den nächsten Jahren eine neue Branche herausschälen. Ihr Geschäftsfeld: Entwicklung und Herstellung, Vertrieb und Betrieb von industriellen KI-Systemen.

Haupteinsatzgebiet der neuen KI dürfte die Fertigung und Montage der unterschiedlichsten Industrien sein. Denn hier wird sich sehr bald entscheiden, ob sich unsere noch in Zentraleuropa verbliebene Industrie und damit der Industriestandort in seiner Position am Weltmarkt halten können.

In einem Artikel zur KI habe ich diese Art von Systemen, von denen es erst sehr wenige gibt, als Kopf-Roboter bezeichnet. Wie die alten Robotik-Hersteller müssen die Kopf-Robotik solche KI, die dem neuesten Stand zum Beispiel generativer KI wie ChatGPT entspricht, industriell auf den Markt bringen. Das kann kein noch so großes Unternehmen selbst tun.

Ob und wie schnell eine solche Branche der Kopf-Robotik bei uns entsteht, das wird über den weiteren Gang der Dinge entscheiden.

Wenn es richtig und schnell genug läuft, dann werden die alten Roboter bald so vollautomatisch arbeiten können wie die im Rittal Werk Haiger für kleine Schaltschränke, dessen Produktion ich kürzlich besuchen konnte. 250 vernetzte Maschinen und Roboter sind dort gesteuert vom eigenen Oncite Digital Production System.

Blick in die mit ONCITE DPS gesteuerte und in Nahe-Echtzeit auf dem Dashboard überwachte Schaltschrankfertigung bei Rittal (Bild Rittal)