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Zwei Artikel sind exklusiv erschienen in dieser kleinen Serie. Einer zur Position von Dassault Systèmes, hier war Darko Sucic, Senior Director, Industry Consulting in Central Europe bei Dassault Systèmes, mein Interviewpartner. Und ein Artikel zur Stellung von Siemens Digital Industries Software, und da habe ich mit Joe Bohmann, Senior Vice President, Lifecycle Collaboration Software, gesprochen.

Einige zentrale Fragen haben darüber hinaus beantwortet: Roland Riedel, Senior Director, Europe Manufacturing Mid-Market bei Autodesk; Johann Dornbach, CTO der PROCAD-Gruppe; und Dominik Rüchardt, Head of Business-, Market-, und Partner Development, PTC. CONTACT Software hat meine Fragen nicht beantwortet, bei ARAS kam ein Wechsel in der Geschäftsführung dazwischen.

Nach dem allmählichen Wegfall des Terminus PLM in der Kommunikation fast aller noch bis vor Kurzem als PLM-Anbieter bekannten Softwarehersteller war ich bei den Gesprächen für diese kleine Serie mehr als überrascht: Ausnahmslos alle Gesprächspartner sehen nach wie vor PLM als zentrale und unbedingte Voraussetzung an, um in der digitalen Transformation der Industrie Fortschritte machen zu können.

Roland Riedel, Autodesk, sagt etwa: „Die Unternehmen haben in den letzten Jahrzehnten vor allem in ERP, Automatisierung und CRM investiert. PLM kam immer an letzter Stelle. Jetzt ist es für viele ein übles Erwachen, zu sehen, dass sie ohne PLM die nächsten Schritte in der Digitalisierung nicht machen können. Dass sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben.“

Johann Dornbach, PROCAD: „PLM ist für die PROCAD Gruppe der essenzielle Bestandteil unseres Angebotsportfolios.“

„Die Bedeutung von PLM wächst gerade enorm“

Dominik Rüchardt, PTC, sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von PLM: „Ursprünglich wurde PLM eher als eine Downstream-Technologie betrachtet. Vom Engineering ausgehend bis zur Fertigstellung des Produkts. Jetzt reicht die Anwendung bis in den Service und Betrieb. PLM spielt nicht nur weiterhin eine zentrale Rolle, seine Bedeutung wächst sogar gerade enorm.“ (Foto Dominik Rüchardt)

Und offensichtlich liegt es gerade an der Ausweitung des Themas Industrie-Digitalisierung auf die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu neuen Geschäftsmodellen in Form von datenbasierten Diensten, dass PLM eine regelrechte Renaissance erlebt.

Johann Dornbach betont, dass sich „ohne durchgängige digitale Daten entlang des gesamten Produktlebenszyklus, dem Kern-Ansatz von PLM, die digitale Transformation nicht mit vertretbaren Aufwänden und nachhaltig erfolgreich realisieren lässt“. 

Dominik Rüchardt sieht PLM als „ein zentrales Element in der Reihe der Technologien wie Cloud, Augmented Reality/Virtual Reality, Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen, die für die digitale Transformation unverzichtbar sind.“

Aus Sicht von Roland Riedel haben der Trend zum Internet of Things (IoT) und zur KI in den letzten fünf Jahren auch dazu geführt, dass sich in Europa und speziell in Deutschland die Einstellung in der Industrie zur Cloud-Nutzung regelrecht gedreht hat. Jetzt sollen aus dem Produktbetrieb Daten genutzt und vielleicht in der Cloud mit Daten anderer Produkte verglichen und analysiert werden. „Aber aus dem Betrieb und über die Cloud müssen dann Rückschlüsse auf das Produkt selbst, seine Funktionsweise und seine Eigenschaften möglich sein. Und dafür benötigen die Unternehmen PLM.“ (Foto Roland Riedel)

Auch bezüglich der in den letzten Jahren viel diskutierten Frage, ob der berühmte ‚Data Lake‘, also der unstrukturiert aus allen verfügbaren Quellen gefüllte Datensee, PLM nicht überflüssig macht, sind sich alle Anbieter einig: Die Möglichkeit der Nutzung unstrukturierter Big Data ist eine Ergänzung, kein Ersatz für PLM.

Johann Dornbach findet, dass „Data Lakes und neue Datenverarbeitungsverfahren die Möglichkeiten von PLM erweitern, da sie neue Lösungsansätze aufzeigen.“ Aber: „Sie sind keine Alternative zu PLM Strategien.“

Wichtiger Datenzustrom für den Data Lake

Für Roland Riedel liefert PLM einen extrem wichtigen „Datenstrom, der den Data Lake speist. Ohne diese strukturierte Quelle nützen die gesammelten Daten wenig.“

Und Dominik Rüchardt meint: „Der große Unterschied ist, dass die unstrukturierten Daten aus dem Data Lake immer nur Näherung und Vermutung zulassen, während PLM exakte Daten liefert. Machine Learning verlangt nach PLM-Strukturen, um eine sinnvolle und verlässliche Auswertung der Datenmassen zu erlauben.“

Wenn mich nicht alles täuscht, können wir in den nächsten Jahren mit einer neuerlichen Aufwertung des Themas PLM rechnen. Und mit einer zunehmenden Verschiebung in die Cloud, denn so wie die Cloud-Nutzung für die Industrie ohne PLM wenig wert ist, so dringend wird, dass sich PLM vom Desktop löst und überall, auch während des Betriebs vernetzter Produkte, verwenden lässt.

Dominik Rüchardt stellt sich ein „Industrial Lifecycle Management“ vor. Es geht nicht mehr nur um das Produkt und die Produktion, es geht um die Nutzung des Produktes bis hin zu seiner Nachhaltigkeit, die dabei immer mehr in den Fokus kommt. „Wir sind ein lernendes Unternehmen. Wir haben die wachsende Bedeutung von PLM und das Zusammenwachsen von PLM und IoT erkannt, und genau da investiert PTC auch in den kommenden Jahren. So hat PTC mit dem Erwerb von Arena als reinem „SaaS – Software-as-a-Service“ PLM-System das Angebot von Windchill ergänzt, das auch zunehmend in der Cloud angenommen wird.“

Autodesk hat erst im Sommer das 2015 gegründete Start-up Upchain mit 150 Mitarbeitern übernommen. Sein Kern ist eine vollständig Cloud-basierte PLM-Software, die nun Fusion 360 um PLM ergänzt. Roland Riedel zitiert aus einer Studie, dass rund Dreiviertel aller Industrieunternehmen PLM für wichtig halten und von diesen wiederum ein Drittel das Thema wettbewerbsentscheidend einschätzt. „Die Pandemie hat mit ihrem Druck zu Fernbedienung und Homeoffice nochmals deutlicher gemacht, wie wichtig für die Unternehmen das Datenrückgrat aus PLM ist. Autodesk wird dafür Lösungen für alle anbieten.“

Die PROCAD-Gruppe steht gerade in der Übernahme durch einen US-Investor. Auch für die Investoren ist offensichtlich das Thema PLM so wichtig geworden, dass sie ihr Geld darin gut angelegt sehen. (Foto Johann Dornbach, PROCAD)

Johann Dornbach