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Interview mit Martin Flöer, Programmmanager für u-OS bei Weidmüller

Weidmüller ist ein erfolgreicher Hersteller elektrischer Verbindungstechnik und Elektronik. Seit Ende der Neunzigerjahre ist die Automationstechnik als wichtiges zweites Standbein hinzugekommen. Die Kunden sind in Maschinenbau, Prozessindustrie und Energie. 2020 begann das Haus mit der Entwicklung der offenen, Linux-basierten Plattform u-OS, die 2022 auf der SPS in Nürnberg erstmals dem Markt vorgestellt wurde. Seit April 2024 ist Weidmüller mit u-OS und der Cloud-Plattform easyConnect in der Marktübersicht Smart Automation vertreten.

Martin Flöer, Programm Manager für u-OS, konnte ich für ein Interview gewinnen, in dem er meine Fragen zur Strategie von Weidmüller mit dieser Plattform beantwortete.

Martin Flöer, Programmmanager u-OS bei Weidmüller. (Foto Sendler)

Ulrich Sendler: Herr Flöer, Weidmüller ist schon seit Ende der Neunzigerjahre auch in der Automatisierungstechnik aktiv. Warum kam u-OS erst 2022 auf den Markt?

Martin Flöer: Eines der Grundkonzepte von u-OS ist, dass der Anwender mit Apps die Funktion einfach erweitern kann. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die App-Provider ganz unabhängig von u-OS auf eine breite technologische Basis stützen können. Die Echtzeitfähigkeit von Linux ist seit wenigen Jahren im Hauptentwicklungsstrang von Linux verfügbar. Auf der anderen Seite erleben wir bei den Prozessoren in den letzten Jahren eine Standardisierung, diese ist insbesondere durch die Raspberry Community getrieben.

Auf Basis dieser Voraussetzungen haben wir dann begonnen, u-OS als offenes System für industrielle Apps zu entwickeln. Es war die logische Weiterentwicklung unserer Firmware u-create web. Mit u-OS kann der Kunde jetzt für jedes Gerät Apps von Partnern und Weidmüller nutzen, und genauso eigene Applikationen integrieren.

u-OS und u-Software

Ulrich Sendler: Ist u-OS die Basis für Weidmüllers u-Software?

Martin Flöer: Nein. u-Software ist eine kommunikative Klammer für sämtliche Software-Angebote von Weidmüller. Und das sind ja neben u-OS und easyConnect etliche Softwareprodukte, die auch auf anderen Betriebssystemen laufen, wie PROCON-WEB, ResMa oder edgeML.

Ulrich Sendler: Welche neuen Produkte und Dienste bietet Weidmüller auf u-OS und easyConnect an?

Martin Flöer: Es gibt eine Reihe von neuen Apps und Services, beispielsweise PROCON-Connect, ein No-Code-Gateway für IoT Use-Cases. Aber wichtiger als die Anzahl der Anwendungen ist uns die Offenheit von u-OS. Wir sehen beim Kunden, dass darin für ihn der größte Vorteil liegt. Es ist die Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Anwender sowie Zukunftssicherheit.

Ulrich Sendler: Können Sie das erläutern?

Martin Flöer: Nehmen wir die Zahl der Apps, die inzwischen auf u-OS angeboten werden, dann sind das derzeit 17. Davon stammen acht von Partnern, neun von uns. Es ist die Offenheit, es sind die offenen Standards, die uns gute Technologie- und Solution-Partner finden lassen. Dabei steht die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit unseren Partnern und Kunden im Fokus. Co-Creation ist das Zauberwort. Damit können wir die Use-Cases und Anforderungen des Kunden schneller bedienen. Und noch wichtiger ist, was unsere Kunden entwickeln. Das sind in der Regel Maschinenbauer mit einer eigenen R&D-Abteilung, die mit u-OS in denen von Ihnen verwendeten Programmiersprachen Applikationen entwickeln bzw. integrieren wollen. Das können sie auf u-OS tun, und sie nutzen diese Möglichkeit in wachsendem Umfang. Wir können nicht einmal sagen, wie viele Apps das bereits sind, denn die stehen ja in der Regel in keinem App-Marktplatz zum Verkauf. Das Prinzip der App funktioniert.

Offenheit als Prinzip der Plattform

Ulrich Sendler: Wie offen ist Ihre Plattform zu anderen Plattformen, beispielsweise aus der Marktübersicht?

Martin Flöer: Unsere Kunden können u-OS und unsere Software koppeln mit was auch immer sie wollen. Da gibt es keine Grenzen. Mit einzelnen Anbietern haben wir sogar eine Technologiepartnerschaft, etwa mit Industrial Edge von Siemens, Nupano von Lenze oder Flecs von Flecs Technology. Eine weitere wichtige Partnerschaft ist die enge Zusammenarbeit mit CODESYS. Die Kunden wollen nicht mehr von einzelnen Anbietern abhängig sein, sondern flexibel und agil. Das unterstützen wir mit aller Kraft.

Ulrich Sendler: Hat Weidmüller eine eigene Art der Monetarisierung von Apps? Zum Beispiel über einen eigenen App-Shop?

Martin Flöer: Das nicht, aber mit unserem u-OS APP Hub erlauben wir unseren Kunden eine extrem einfache Installation. Das fühlt sich in der Tat so ähnlich an wie die Installation einer App auf dem Handy. In Verbindung mit der Cloud-Plattform easyConnect kommen Internet-Technologie und App-Nutzung nun auch in der Fertigungshalle an. Ergänzend können Sie mit Siemens Industrial Edge, Nupano oder Flecs Marketplace, auch APPs von anderen Plattformen installieren. Aber die Monetarisierung von Apps sehen wir nicht als Teil unseres Angebots, unser Leistungsversprechen ist die einfache Nutzung von APPs.

Ulrich Sendler: Haben sich die Zielmärkte von Weidmüller mit u-OS geändert? Sind neue hinzugekommen?

Martin Flöer: Weidmüller ist vor allem im Maschinenbau zuhause, wo wir den Kunden offene Automatisierung und das entsprechende Engineering bieten. Wir haben gemeinsam mit Codesys deren System auf unsere Steuerung gebracht. Und werden in Kürze auch im Codesys-Store verfügbar sein. Unser Hauptgeschäft ist nach wie vor die Elektronik und Elektrotechnik, das nun durch unsere diversen Softwareprodukte ergänzt wird.

Werbetafel am Stand von Weidmüller während der SPS 2024 (Foto Sendler)

Daneben ist die gesamte Energietechnik für uns sehr interessant. Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energie, und natürlich das Energiemanagement in industriellen Anlagen. Die zunehmende Vernetzung der verschiedenen Gewerke ist schließlich auch ein Treiber offener Software.

Ein Netz von Ökosystemen

Ulrich Sendler: Wie würden Sie das Ökosystem rund um u-OS beschreiben?

Martin Flöer: Unser Ziel ist nicht, ein eigenes Ökosystem aufzubauen. Wir wollen vielmehr existierende und sich entwickelnde Ökosysteme miteinander verbinden. Dabei ist die Containerisierung von Software der Hauptmotor und somit auch Treiber für Innovation. Ein Schwerpunkt wird in den kommenden Monaten die Integration von Partner Lösungen für die IT-Sicherheit. So haben wir auf der SPS in November mit FortiNet und Orange Cyber Defense wie ersten beiden Partner vorgestellt.

Martin Flöer während der SPS 2024 in Nürnberg (Foto Sendler)

Auf der anderen Seite legen wir großen Wert auf unser Partner-Netzwerk, zu dem neben den Technologie- und Solution-Partnern auch ein ganzes Netz von Education-Partnern aus Universitäten, Instituten und anderen Institutionen gehört. Und wir sind sehr aktiv in einer Reihe von Organisationen wie Open Industry 4.0, dem Spitzencluster it’s OWL oder dem Labs Network Industrie 4.0.

Ulrich Sendler: Was kann der Markt in der nächsten Zeit bezüglich u-Software erwarten? Was sagt die Roadmap?

Martin Flöer: Der erst im November vorgestellte u-OS Data Hub wird in der nächsten Zeit bei u-OS im Zentrum stehen. Er bekommt jetzt einen Echtzeit-Layer, und weitere Erweiterungen sind in Arbeit. Der Cyber Resilience Act (CRA) steht vor der Tür. easyConnect wird uns helfen, die neuen Anforderungen aus dem CRA zu erfüllen. Und easyConnect ist die Klammer um alle von uns angebotenen Services, also auch die Sicherheitsklammer. Auch bei u-OS hat die Cybersecurity hohe Priorität. Hier setzen wir aktuell die Anforderungen der IEC 62443-4-2 um. Weitere Entwicklungen kommen, sind aber noch nicht spruchreif.