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Ein Interview mit dem neuen Director Digital Business von ECS Engineering Consulting & Solutions macht deutlich, dass sich nicht nur der PLM-Systemintegrator in Neumarkt gerade gründlich verändert. Die Industrie insgesamt ist in einem massiven Umbruch in Richtung Digitalisierung, und das Internet der Dinge (IoT) ist offensichtlich nicht so einfach zu haben wie eine Standardsoftware.

PLMportal / Die Digitalisierer: Was ändert sich für ECS durch den neuen Geschäftsbereich Digital Business, Herr Terwey?

Larry Terwey (Bild Sendler): ECS bekommt einen regelrechten Wachstumsschub. Während in vielen Bereichen der Industrie Stellen abgebaut werden, stellen wir ein. Ich habe bereits zwei neue Mitarbeiter – regional als hervorragende Ergänzung einen in Berlin und einen in Nordrheinwestfalen – und ich suche sofort noch eine Expertin beziehungsweise einen Experten für Pre-Sales und eine oder einen Cloud-Solutions Architect für das Internet der Dinge. Wir haben innerhalb kürzester Zeit schon fast 40 Projekte in der Pipeline, in denen die Kunden Vollgas geben wollen. Die meisten sind dabei auf der grünen Wiese, noch ganz am Anfang. Da brauche ich Leute, die sich auskennen. Und die sind gar nicht so leicht zu finden.

ECS ist ein sehr gesundes Unternehmen, hat große und wichtige Kunden, ist im Markt anerkannt. Jetzt gibt es eine neue Entwicklung durch Initiativen aus dem Digital Business, die uns nicht nur neue Kunden finden lassen, sondern mit denen wir alle, auch die langjährigen Kunden, besser, schneller und direkter erreichen und bedienen können.

Was sehen Sie vor dem Hintergrund Ihrer langjährigen Erfahrung in IT-Industrie und Managementberatung als wichtigste Veränderung in der Industrie, vor allem auch bezüglich des IT-Einsatzes?

Larry Terwey: Das lässt sich sehr gut bei den neuen Kontaktaufnahmen sehen. Darunter sind zahlreiche Unternehmen, die mit mancher großen Standardsoftware, die sie haben, nicht mehr zufrieden sind und vor allem mit der Art, wie sie bei deren Einsatz von manchen unserer Mitbewerber unterstützt werden. Es ist, als käme die IT in ihrer bisherigen Form und Nutzung an eine Grenze. Die Grenze heißt vor allem: Installation von Lizenzen im eigenen Haus, statt Nutzung über die Cloud. Aber auch: Nutzung der IT für neue Geschäfte.

Die Cloud ist in Zentraleuropa seit ungefähr 12 Jahren ein großes Thema. Dabei ist nicht mehr die Frage, ob sie sinnvoll ist. Aber wie die Migration vonstattengehen soll, wie man auf dem besten und schnellsten Weg in die richtige Cloud kommt, das ist nach wie vor eine große Herausforderung.

Big Data ist ein weiteres Thema. Viele haben sehr viele Daten, die sie endlich richtig nutzen wollen, und kommen natürlich schnell auf die Themen IoT und KI. Aber dazu müssen sie ja zuerst das Modell finden, mit dem sie die Daten operationalisieren können. Und dafür fehlen den meisten die Kenntnisse und das Personal.

Der Druck für die Unternehmen kommt dabei sowohl vom Kunden als auch vom Wettbewerb. Fast alle Industrieunternehmen spüren einen unglaublichen Druck, ihre Prozesse und Produkte zu digitalisieren. Manche haben auch schon angefangen, merken aber nach einigen Jahren, dass sie nicht weiterkommen.

Gibt es drei wichtigste Punkte, die Unternehmen bei der Digitalisierung im Auge haben müssen?

Larry Terwey: Ich sage Ihnen, wie wir bei ECS das jetzt angehen, und da gibt es in der Tat ein paar Punkte, die meiner Meinung nach ganz allgemein gelten.

Als Erstes müssen der oder die Business Cases identifiziert werden. Da sehen wir einen interdisziplinären Workshop von zwei oder drei Stunden mit allen wichtigen Experten als das zentrale Mittel, um einen erfolgreichen Start sicherzustellen. Wo drückt wen der Schuh, wo ist der Druck am größten, wo ist am ehesten etwas zu erreichen? Schnell sind alle aus momentaner Sicht möglichen Szenarien gefunden, in denen sich mit IoT und Digitalisierung durchgängigere Prozesse und neues Geschäft entwickeln lassen und Kosteneinsparungen schnell erreicht werden. Und gleichzeitig kann man die nicht so wichtigen Fälle ausschließen.

Im nächsten Schritt müssen die Fälle priorisiert werden, was zu einer Roadmap des Unternehmens führt. Dazu braucht es einen Koordinator im Haus oder auch von extern, der das gesamte Team in die Umsetzung führt. Ich halte es für sehr schlecht, wie bei der Standardsoftware in den vergangenen Jahrzehnten Jahre mit dem Proof of Concept zu verbringen. Ich bin eher fürs Loslegen. Dafür bringen wir ein ganzes Netzwerk von Partnern mit für alles, was man braucht, Plattformen, Connectivity, Tools, aber vor allem Solution Provider und Systemintegratoren. Keiner kann IoT allein. Das jeweilige Partner-Ökosystem ist entscheidend. Das bieten wir, und wenn der Kunde bereit ist, können wir morgen starten.

Damit kommen wir zum dritten Punkt, für den sich viele Beratungshäuser und Softwareanbieter nicht mehr zuständig fühlen: das Go live! Möglichst schnell müssen die gefundenen Business Cases entsprechend der Roadmap an den Markt gebracht werden. Wir bieten unseren Kunden ganzheitliche Begleitung von der Idee bis zum Markterfolg.

Ist IoT vor allem wieder eine neue Technologie oder Plattform, die die alte IT ersetzt?

Larry Terwey (Bild Sendler): Ganz im Gegenteil. IoT ist kein Oder, es ist ein Und. Wir wollen den Kunden helfen, mehr aus den Investitionen herauszuholen, die sie über die Jahre in gute Tools und Systeme getätigt haben. Vermutlich benötigen sie noch das eine oder andere zusätzlich. Als Ergänzung. IoT ist für die Industrie eine Reise, zu der sie sich entschließen muss. Sie braucht für ihre Produkte und Prozesse Connectivity, dann eine passende Plattform, und dann kommen die Unternehmen zu den neuen Diensten, mit denen sie Geld verdienen.

Die Technologie selbst ist nicht das Entscheidende. Das entscheidet sich im Einzelfall und im jeweiligen Business Case. Ob Low Code oder Standardsoftware, ob diese oder jene Plattform – der Anwendungsfall führt zu den benötigten Lösungen.

Was ist das Neue an IoT? Was ändert sich grundlegend für die Industrie?

Larry Terwey: Die Unternehmen müssen wie SW-Entwickler denken. “Du gehst als Industrieunternehmen zu Bett und wachst als Software- und Analytikunternehmen auf.” So ähnlich hat das Jeff Immelt formuliert, langjähriger Chef von General Electric (GE). Den Business Case definieren, schnell etwas ausprobieren, loslegen – nicht jahrelang entwickeln und die alten Prozesse durchlaufen, die für die mechanische Industrie richtig waren.

Das Produkt steht vielleicht nicht mehr im Vordergrund. Eher ein Dienst, den man damit anbieten kann. So wie bei einem Verkehrsschild-Hersteller, mit dem ich mal zu tun hatte. Am Ende hatte sein Geschäft gar nichts mehr mit dem Schilderverkauf zu tun, sondern mit den Diensten, die er diversen Kunden mit digitalen Schildern angeboten hat.

Aber genauso müssen Hersteller von Hardware darüber nachdenken, wie sie ihr Engineering digital vernetzt an die neuen Anforderungen anpassen. Die Nutzung von Software ist das, was sie bisher gut hinbekommen haben. Jetzt geht es darum, dass die Daten, die dabei entstehen, auch wirklich in ein Geschäft münden können.