In meiner Nachricht vom 26.1.22 zur strategischen Allianz von Schaeffler und PTC hatte ich geschrieben, zu Aras hätte ich von Schaeffler nichts erfahren. Nun habe ich von der Pressestelle ein paar Fragen beantwortet bekommen. Sie bestätigen meine Interpretation des grundlegenden Wechsels.
Auf meine Frage, ob es das Engineering Cockpit auf Basis von Aras noch gibt, war die Antwort von Schaeffler: „Wir haben derzeit keine Software von Aras im operativen Einsatz.“ Und als Hauptgrund für den Wechsel zurück zur PTC-Standardsoftware wurde mir genannt: „Wir denken, dass wir unsere Ziele mit PTC besser erreichen können. PTC hat für unseren aktuellen Bedarf die geeignetsten Technologien & Kompetenzen. PTC ist auch führend in aktuellen Benchmarks wie zum Beispiel Gartner (IIoT), Quadrant (PLM), Teknowlogy (AR) oder ABI Research (CAD).“ (Bild PTC)
Schaeffler hat also in der Tat seinen Versuch, mit einer eigenen, betriebsspezifischen Lösung auf Basis des leicht anpassbaren Aras Innovator eine alle Bereiche des Engineerings integrierende Lösung zu schaffen und zur Basis der Prozesse zu machen, aufgegeben.
Wie mir versichert wurde, bedeutet die strategische Allianz mit PTC nicht nur eine Fortsetzung der Arbeit mit den bekannten und bereits eingesetzten Lösungen, sondern zu gegebener Zeit auch eine Erweiterung durch andere Komponenten aus dem Portfolio des Anbieters: „Wir prüfen gerade das Produktportfolio von PTC und werden nach dieser Analyse Entscheidungen über zukünftige Software treffen“, hieß es allgemein auf meine konkrete Frage, ob Onshape auch zu künftig eingesetzten Lösungen gehöre.
Die Zukunft bei Schaeffler hinsichtlich on-premises und Cloud? „Der generelle Trend geht zu SaaS, diesem werden wir in vielen Fällen auch folgen.“
Mit dieser Einschätzung dürfte Schaeffler nicht allein sein. Und gerade dieser Trend, der auch vor kleinen und mittleren Unternehmen nicht Halt macht, wird vermutlich in den kommenden Jahren noch stärker dazu führen, dass Standardsoftware „out of the box“ bevorzugt wird. Je mehr die jeweils aktuell über die Cloud verfügbare Lösung im Vordergrund steht, desto weniger sinnvoll erscheinen unternehmensspezifische Anpassungen, die ja mit der Entwicklung des Standards in der Cloud gar nicht Schritt halten können.
Das SaaS aus bestimmten Perspektiven einen Vorteil hat ist nicht von der Hand zu weisen. Aber der letzte Absatz dichtet der Cloud etwas an, wofür die Cloud gar nicht zuständig ist. Es gibt nicht den einen Standard, gab es vorher auch schon nicht, weswegen sich Firmen häufig so brutal schwer tun mit Anpassungen zu neuen Unternehmensstrategien oder Wechseln. Und dieser angesprochene Standard in der Cloud der ja so schnell ist – wo war dieser On Premise? Wer hat die Anbieter in der Vergangenheit gehindert, ihre Applikation modern zu halten bevor sie sie bei AWS oder Azure installiert haben? Wobei hier anzumerken sei, dass ein Stück Software in einer Cloudinstanz zu packen rein gar nichts mit einer Cloud Software zu tun hat. Der letzte Satz „Je mehr die jeweils aktuell über die Cloud verfügbare Lösung im Vordergrund steht, desto weniger sinnvoll erscheinen unternehmensspezifische Anpassungen, die ja mit der Entwicklung des Standards in der Cloud gar nicht Schritt halten können.“ ist inhaltlich leider nicht so konsistent und liefert nur Vorschusslorbeeren – auch wenn mancher Anbieter selbst heute immer noch nicht den Unterschied kennt zwischen „ich habe es in der Cloud installiert“ und „ich habe es explizit für die Cloud entwickelt“.
Für mich klingt die Entscheitung bei Schäffler eher nach einer strategischen Entscheidung auf dem Golfplatz, interessant wären hier die Meinungen der Entwickler oder betroffenen IT-Abteilungen, nicht der Vorstands oder der Pressestelle.
Hallo Sven M.,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich hätte auch lieber direkt etwas von den Experten bei Schaeffler erfahren und habe auch mit einem gesprochen. Aber er hat keine Freigabe, etwas nach außen zu verlautbaren, also bin ich dankbar, dass ich nun immerhin etwas mehr bekommen habe, als in der Pressemitteilung stand.
Beim Thema Standard liegt, glaube ich, ein kleines Missverständnis vor. In diesem Beitrag meine ich die Software, die von PTC out of the box zu haben ist, also den Standard, wie ihn PTC setzt. Den „einen Standard“ gibt es für keine Art von Software, da stimme ich zu. Wird es nie geben. Deshalb wird es auch immer den Bedarf an Anpassungen und Zusätzen geben. Aber das, was Schaeffler versucht hatte, war ja mehr. Da ging es ja um eine eigene Software auf Basis von Aras, mit der andere Systeme eingebunden werden sollten. Und diese Nummer funktioniert immer weniger, je mehr sich ein Unternehmen in Richtung Cloud-Nutzung bewegt.
Und im Punkt Cloud-Software stimme ich vollkommen zu. Das geht nur mit einer vollständig neuen Software. Und hier hatte ich letzte Woche ein einstündiges virtuelles Gespräch mit Jim Heppelmann, CEO, Steve Dertien, CTO, und Jon Hirschtick, Erfinder von SolidWorks und eben von Onshape und seit der Übernahme durch PTC hier für Atlas und Onshape zuständig. Das war hochinteressant und wird in Kürze hier in der Hintergrundserie zu 40+ Jahre CAD erscheinen. Stay tuned.
Hallo Uli,
das man gewisse Schwierigkeiten hat, Internas zu bekommen und wenn, erst recht diese zu veröffentlichen.
Ich halte es nicht für einen Widerspruch, eine Software an das Unternehmen „anzupassen“ und sich in Richtung Cloud zu bewegen, das ist alles nur eine Frage der Architektur der Applikation(en) und wie offen diese nach außen sind. Ich kann aus einer rein technischen Sicht problemlos eine SaaS-Applikation customizen/konfigurieren/was auch immer nötig ist, wenn diese als Single Tenant Instanz mir zur Verfügung steht. Dazu ein simples Staging Konzept – in der Cloud besonders leicht realisierbar – und ich habe die Vorteile beider Welten vereint – sofern eben der Anbieter dies aus architektonischer Sicht auch leisten kann. Aber grundsätzlich, es ist kein Widerspruch oder das man sich hier entscheiden muss, man kann beides haben.
Hier war mein Vorwurf an den „Standard“ auch mehr der Befürchtung geschuldet, dass man hier wieder einen schritt zurück macht in ein Silo-Denken. Aus Management-Sicht ein dankbarer Weg es „einfach“ zu haben und mit dem Anstrich „Cloud“ wirkt es zugleich modern – und ist unterm Strich dennoch das, was viele seit den 90ern mehr Schmerzen denn Fortschritt bietet.
Leider hat sich die PLM-Welt sehr lange in einer Art Dornröschen-Schlaf befunden, während die IT als solches davon gestürmt ist technologisch, erst seit ein paar Jährchen kommt hier Bewegung rein – aber da sind wirklich sehr spannende Themen dabei. Onshape ist mit Sicherheit eines dieser spannenden Themen, ich durfte hier auch schon einiges sehen. Moderne Technologie, eine saubere Architektur etc… die Frage ist in Zukunft, dass der Rest sich ebenso offen entwickeln wird, was auch hohe finanzielle und zeitliche Anstrengungen bei den Anbietern erforderlich machen wird – und nicht jeder wird diesen Weg so konsequent gehen werden. Stichwort „zusammenkleben“. 😉
Hallo Sven,
danke für die Replik, der ich nichts hinzuzufügen habe. Die Industrie muss beides machen. Standardsoftware nutzen und eigene Lösungen entwickeln. Und das muss zusammen funktionieren.
Gerade bekomme ich eine Studie von techconsult rein, die dazu passt. Individualsoftware ist der wichtigste Treiber für Unternehmenserfolg. Werde ich nachher etwas zu schreiben.