Vor einem Jahr in Florida gegründet, Ende 2021 als Aufkäufer von deutschen Industriesoftwarefirmen erstmals bekannt geworden – es gibt wieder Neues aus dem Hause Revalize, und leider wieder nichts Gutes. Wie die Recklinghäuser Zeitung (RZ) meldet, soll keytech Software, ein Unternehmen der übernommenen PROCAD Gruppe, Ende März 2023 seine Pforten schließen.
Unter dem Bild im Screenshot vom RZ+ Abo-Artikel heißt es: „Kommentator Alexander Spieß sieht keytech als Opfer eines entfesselten Turbokapitalismus“.
Die RZ berichtete am Samstag, den 4. Juni, von einer „Nachricht mit Schockwirkung“: „Bei einem Treffen im Düsseldorfer Hilton Hotel mit Vertretern des neuen US-amerikanischen Gesellschafters sollte es eigentlich um ein gegenseitiges Kennenlernen gehen. Doch den Mitgliedern des Betriebsrates der Suderwicher Softwarefirma keytech wurde mal eben das Ende ihres Arbeitgebers verkündet.“
Als das große Aufkaufen durch Revalize im letzten Jahr begann, gab es die PROCAD Gruppe selbst erst seit wenigen Monaten. Und wie mir damals die alten und neuen Eigentümer der beteiligten Unternehmen versicherten, sollte der Zusammenschluss im Laufe einiger Jahre zu einer Bündelung der Kräfte führen, an deren Ende die Kunden aller Beteiligten ihre Installationen auf die jeweils neueste und beste der versammelten Technologien migrieren könnten. Mit Revalize sieht das anders aus.
keytech Software schrieb laut RZ dem Vernehmen nach schwarze Zahlen „und sei auch ohne Übernahme weiter überlebensfähig gewesen“. 1996 im Ruhrgebiet gegründet und bis zuletzt erfolgreich von einem der Gründer, Dr. Reiner Heimsoth, geführt, hatte keytech 80 Mitarbeiter. Das Unternehmen war – wie PROCAD in Karlsruhe – eines der wenigen deutschen Softwarehäuser, die vor allem für die mittelständische Industrie Software für das Management von Produktdaten und zur Steuerung und Optimierung der industriellen Kernprozesse entwickelte und vermarktete.
Das abrupte Ende des Unternehmens war sicher nicht im Sinne des Gründers. Die RZ meldet, er „soll bereits von „Revalize“ freigestellt worden sein und in Kürze ohnehin aus dem Unternehmen scheiden. Heimsoth sei sehr unglücklich über die Entwicklung, heißt es aus der Firma.“
Vom erst vor wenigen Wochen ernannten EMEA-Chef bei Revalize, Marc Maurer, waren konkrete Antworten auf meine Fragen nicht zu bekommen. Stattdessen bekam ich eine lange Mail mit viel schön klingenden Worten, aus der ich aber auf keinen Fall zitieren soll. Angekündigt wurden mir Antworten auf meine Fragen durch die neue PR-Agentur von Revalize. Bislang kam nichts. Bei keytech Software konnte – oder durfte? – mir ebenfalls niemand Auskunft geben. Eine offizielle Verlautbarung von Revalize gibt es bislang nicht.
Was mit keytech gerade passiert, sollte nicht nur die IT-Branche als Lehrbeispiel verfolgen. In diesen Jahren sind viele Gründer und Inhaber von mittelständischen Unternehmen kurz vor dem Ende ihres aktiven Berufslebens. Manch einer gibt sich in Ermangelung eines in die eigenen Fußstapfen tretenden Nachfolgers der Hoffnung hin, seine vieljährige erfolgreiche Arbeit – Dr. Heimsoth war 25 Jahre Geschäftsführer – nicht nur vergolden zu können. Mit dem Verkauf soll auch die Lösung für die gewachsene Kundschaft weiterentwickelt werden. Und die Mitarbeiter sollen eine sichere Zukunft haben.
Aber wer sein Unternehmen an den Markt bringt, der lockt zwar Geld, das wieder Geld sucht. Aber keineswegs lockt er fachkundige und am Unternehmen interessierte Nachfolger an. Im Gegenteil. Was mit den Mitarbeitern passiert und wann sie sich einen neuen Job suchen müssen, ist eine Frage der Kosten- und Gewinnrechnung.
Vielleicht hilft das traurige Ende von keytech Software manchem Unternehmer, mancher Unternehmerin, über einen besseren Weg nachzudenken. Rechtzeitig sollte eine Geschäftsführung aufgebaut werden, die – vielleicht über ein Management Buy-out – sogar auch dabei hilft, Gründung und langjährige erfolgreiche Unternehmensführung zu vergolden. Vielleicht kommt dabei etwas weniger Geld heraus als bei der Übergabe an einen Investor. Aber für das Unternehmen, seine Produkte und seine Kunden ziemlich sicher erheblich mehr.
Grauenvoll !!
Ich habe 1985 die PROCAD-GmbH mithilfe von VC-Kapital gegründet.
Gott sei Dank ist mir rechtzeitig mit der Firma der Absprung von diesen Anteilseignern gelungen.
Lieber Herr Dr. Lang-Lendorff,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Schade dass es so ein unschöner Anlass ist, bei dem wir mal wieder etwas voneinander hören.
Herzlichen Gruß
Ulrich Sendler