Noch nicht einmal ein Jahr hat es gedauert, bis PROCAD, jahrzehntelang unter Geschäftsführer Volker Wawer ein wichtiger Softwarepartner der mittelständischen Industrie in Deutschland, mitsamt der neuen Führung und den soeben übernommenen keytech Solutions und ACATEC Software von den angeblich Standortinteressen verpflichteten Investoren in Baden-Württemberg, den LEA Partners, an die nächste Investorenebene verkauft ist.
Niemand hat wohl bislang in Deutschlands Industrie von Revalize gehört. Jetzt übernehmen sie gleichzeitig mit der PROCAD-Gruppe noch ein weiteres deutsches und ein schweizerisches Unternehmen. Und die Pressemitteilung liefert einen Link, welche Beschäftigungsmöglichkeiten es in Jacksonville, Florida, gibt.
Natürlich handelt es sich bei dem hierzulande völlig unbekannten Haus um einen weltweit führenden Anbieter. In diesem Fall nicht von Engineering Software, sondern von „Revenue Operations Software“ – gerne auch kurz RevOps Software – für Fertigungsunternehmen. Dynamische Preisgestaltung und bessere Voraussicht auf zu erwartende Umsätze bietet angeblich diese Art von Software. Genau das also, was eine in Sachen Digitalisierung stockende, vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen bestehende Fertigungsindustrie jetzt vordringlich braucht.

Screenshot von der noch ziemlich jungfräulichen Revalize Homepage
Dass den Namen hier niemand kennt, liegt nicht nur an der fernen Lokalität des Hauptsitzes. Revalize ist erst in diesem Juni gegründet worden. Man spricht übrigens jetzt nicht mehr von Übernahmen, Akquisitionen und Aufkäufen von Firmen. Was für hässliche Worte. Es heißt jetzt von den übernommenen Unternehmen vornehm, sie „schließen sich dem Revalize Lösungsportfolio an“. Na denn.
Was dieser „Anschluss“ den erst seit etwa einem Jahr in der Führung befindlichen Geschäftsführern und Miteignern Gerhard Knoch und Johann Dornbach gebracht hat, wird nicht verraten. Auch das Knallen der Sektkorken in Karlsruhe ist bis München nicht zu hören. Wir können es gar nicht erwarten, zu erfahren, an wen die eben erst gegründete Firma Revalize die soeben übernommenen Firmen weiter verkauft.
Als PROCAD sich vor wenigen Monaten mit den beiden anderen deutschen Industriesoftwarefirmen zusammentat, hatte ich noch das Gefühl, hier bewegt sich etwas in die richtige Richtung. Zusammen 250 Mitarbeiter, damit war die Gruppe ungefähr so stark wie der zweite PLM-Anbieter, der noch in Deutschland verblieben ist, nämlich CONTACT Software in Bremen. Nun stellt sich heraus, es war nur ein kleiner Zwischenschritt, um die ganze Gruppe für den Verkauf begehrenswerter zu machen. Deutschland verliert nun auch im Bereich der Industriesoftware Stück um Stück die letzten Bastionen.
Das ist kein gutes Omen für die Digitalisierung der Industrie in Deutschland. Wir hätten so gute Karten und Voraussetzungen mit unseren Kompetenzen in Mechatronik, mit unserer Stärke in der Investitionsgüterindustrie, mit unserem immer noch hohen Anteil der Industrie an der Gesamtwirtschaft. Aber Software, die gerade diese Industrie unterstützt, wird jetzt Mangelware. Vielleicht gibt es ja irgendeinen deutschen Investor, der sich einschaltet? Wohl kaum.
Hallo Uli,
gut auf den Punkt gebracht. Wie zwei High-Tech-Anbieter wie Acatec und Procad mit einem Handwerker-Zeichnungsprogrämmchen wie Tenado zusammenpassen sollen, muss mir erst mal jemand erklären. Und was technologisch hinter Revalize steckt, hast Du offensichtlich ebenso nicht herausbekommen wie ich.
Schade um zwei richtig gute Firmen (und auch um keytech).
Hallo Ralf,
noch ist es ja Gottseidank nur ein böses Omen und eine böse Erwartung, zu der mich noch niemand eines Besseren belehren konnte. Im Gegenteil, es gab ziemlich viel Zustimmung und Bestätigung aus sehr berufenem Munde. Mehr wissen wir vielleicht bis zum Dezemberende, denn dann soll die Übernahme abgeschlossen sein. Und dann wird man vielleicht auch bald erfahren, wie es weitergeht. Vorläufig aber nicht.
Als die Nachricht die Runde machte, und ich dann bzgl Revalize lesen durfte: „weltweit führendes Unternehmen“ und „gegründet im Juni 2021“ habe ich mich auch gewundert, dass man aus dem Nichts kommend innerhalb von sechs Monaten Weltmarktführer werden kann. Früher musste man sich so eine Position erkaufen, jetzt verleiht man die sich wohl selber, indem man einfach ein paar Unternehmen aufkauft.