Interview mit Andreas Zerfas, CTO von GEC
2022 war German Edge Cloud (GEC) mit der Produktionsplattform ONCITE Digital Production System (DPS) einer der ersten Anbieter von Cloud-nativer Software in einem Bereich, der bislang von monolithischen Lösungen für MES und ERP bedient wurde: die Smart Factory. Zwei Jahre später hat sich in diesem Umfeld ein regelrechter Markt von offenen, Linux-basierten Plattformen herausgebildet.
German Edge Cloud ist in der Marktübersicht Smart Automation prominent vertreten. Für das Nachrichtenportal Industrie-Digitalisierung war das der Anlass für ein weiteres Interview mit dem CTO Andreas Zerfas nach dem ausführlichen Gespräch für den Hintergrundartikel über Composable Software.
Ulrich Sendler: Herr Zerfas, ONCITE DPS hat als Produktionsplattform begonnen. Wie positioniert German Edge Cloud das System heute?
Andreas Zerfas: Mit der Technologie und der Infrastruktur unserer Lösung kann der Kunde sehr viele Herausforderungen meistern. Wie man mit einem Lego-Baukasten vom kleinen Häuschen bis zum Flugzeugträger alles bauen kann. Das hat uns in der Anfangsphase zu einigen Preisen und viel Aufmerksamkeit verholfen. Für potenzielle Kunden war es aber schwierig, den unmittelbaren Bezug zu ihren eigenen Aufgabenstellungen zu sehen. Deshalb gehen wir jetzt von der konkreten Funktionalität einer schlanken, schnell umzusetzenden Lösung aus und zeigen, dass und wie das in der Praxis Mehrwert bringt und letztlich zu einer neuen, digitalen Art von Automatisierung führt.
Konnektivität und Transparenz als erste Säule der Smart Factory
Ulrich Sendler: Können Sie das an einem konkreten Beispiel erläutern?
Andreas Zerfas: Die erste Säule, auf der beispielsweise bei Rittal in Haiger die Smart Production aufgebaut wurde, heißt Konnektivität und Transparenz. Maschinen und Geräte in der Fabrik wurden miteinander verbunden und die Daten von Produkt und Prozess zentral zugreifbar gemacht, indem wir auch MES und ERP mit dem System verbunden haben. Dann haben wir diese Daten auf Dashboards für alle transparent zur Darstellung gebracht. Wie schnell allein diese Säule sehr wichtig für die gut funktionierende smarte Fabrik wurde, war gerade in der Zeit des ersten Anlaufs deutlich zu spüren, wenn irgendwelche Daten einmal nicht verfügbar waren.
Also ein einfacher, gut nachzuvollziehender Ansatz: Wie läuft die Fabrik, was passiert im Shopfloor? Welche Daten werden wo für welchen Zweck gebraucht? Und die Darstellung in klaren, für jeden Mitarbeiter verständlichen Dashboards, die bei Rittal etwa über den Fertigungslinien hängen und für alle gut sichtbar zeigen, wo welcher Prozess gerade wie gut läuft.

Andreas Zerfas, CTO von German Edge Cloud (Foto GEC)
Wir haben uns auf die Daten konzentriert, von denen uns die Mitarbeiter gesagt haben, dass ihre Kenntnis für einen möglichst reibungslosen Ablauf der Fertigung essenziell ist. Jeder Interessent in der Industrie kann das ohne langes Nachdenken auf seine eigene betriebliche Situation übersetzen.
Ulrich Sendler: Hat sich damit auch Ihr Auftritt auf Messen geändert?
Andreas Zerfas: Allerdings. In diesem Jahr haben wir beispielsweise in Hannover die konkreten Funktionalitäten ins richtige Licht gerückt. Die Show-Cases waren die Fertigung bei Rittal, der Smart Press Shop von Porsche und Schuler, Catena-X und KI-Lösungen mit IBM und Google.
Die Resonanz war enorm. Wir haben allein im Vergleich zu 2023 65 Prozent mehr Leads aus Hannover gezählt. Der Kunde sieht, wie wir eine Herausforderung, die er gut kennt und erst einmal einem MES-System zuordnen würde, völlig anders lösen. Er sieht, wie schnell unsere Lösung umzusetzen ist, und versteht, was ihm solch eine Lösung bringen kann.
Ulrich Sendler: In Haiger sind Sie, wie ich mich 2023 selbst überzeugen konnte, nicht bei der Säule Konnektivität und Transparenz stehengeblieben. Was war der nächste Schritt?
Andreas Zerfas: Wir haben die Kollegen gefragt, wo sie noch andere Potenziale schlummern sehen, die mit Konnektivität und Transparenz zu heben sind. Die Antwort war: In Zeiten, in denen die Nachhaltigkeit zum ganz großen Thema gerade auch der industriellen Produktion wird, wäre es schön, wenn wir sehen könnten, wo Strom, Gas, Wasser oder Druckluft messbar in der Produktion verwendet werden.

Energiemonitoring mit ONCITE DPS (Bild GEC)
Energie-Monitoring und Track & Trace
Wie beim Thema Fertigung haben wir – diesmal zusammen mit den Anlagenbetreuern und Energie-Experten – Dashboards entwickelt, die nun auch auf mobilen Geräten ein sehr effektives Energie-Monitoring erlauben. Mit der Perspektive des Energie-Managements. Auch diese Säule ist schlank und verständlich. Die Interessenten sehen eine funktionierende Alternative zu monolithischen Systemen, von deren Funktionsumfang sie ja 95 Prozent gar nicht brauchen. Mit unserer Lösung haben sie in sehr kurzer Zeit einen messbaren Nutzen.
Anders als bei einem monolithischen System zahlt der Kunde nur für die Funktionalität, die er tatsächlich einsetzt, also zum Beispiel über Dashboards in der Fabrik und auf dem Tablet. Aber er kann jederzeit auf derselben Infrastruktur in die Breite skalieren oder auch weitere Funktionalität hinzubuchen.
Ulrich Sendler: In die Breite sind Sie bei Rittal nach dem Einstieg in Haiger auch gegangen. Wie weit ist ONCITE DPS inzwischen in den Werken ausgerollt?
Andreas Zerfas: Acht von zehn Standorten weltweit waren schon zur Hannover Messe so weit wie Haiger. Die FAZ hat darüber berichtet, wie über ein Smartphone der aktuelle Status der Fertigung bei Rittal weltweit abgerufen werden kann. Wir nutzen eine Standard-Cloud-Plattform. Ob der Server in Frankfurt steht, in den USA oder in Italien, spielt für uns keine Rolle. Das liegt auch daran, dass wir mit unserer Lösung von Anfang an auf OpenShift von IBM / Red Hat gesetzt haben.
Mit dieser Infrastruktur lässt sich unsere Lösung mit jeder Cloud-Plattform nutzen. Bei Schuler beispielsweise ist eine weitere Säule von ONCITE DPS besonders wichtig: Track & Trace. Schuler nutzt die an der Presse während der Produktion gesammelten Daten zum Beispiel von Blechdicke, Oberflächenbeschaffenheit, Ölfilm.
Auch das ist eine schlanke Lösung, bei der ein Interessent sofort sieht, wie er die Funktion in seiner Fertigung nutzen kann. Ohne Risiko, denn erst einmal werden Daten ja nur unidirektional genutzt und gesammelt.
GEC: Softwareanbieter mit starkem Partnernetzwerk
Ulrich Sendler: Geben Sie uns bitte noch einen Ausblick, was der Markt in der nächsten Zeit von ONCITE DPS erwarten kann.
Andreas Zerfas: Es werden sicher weitere Anwendungen hinzukommen. Was, das bestimmen die Kunden und ihr dringendster Bedarf. Für GEC ist klar, dass wir künftig in der Hauptsache Softwareanbieter sein werden. Für den Service beim Kunden, für die Unterstützung von Implementierung und Nutzung arbeiten wir an einem Netz von Partnern.
Die Partnerschaft mit anderen Anbietern wird eine weiter wachsende Rolle spielen. In Hannover haben wir in diesem Jahr zwei KI-Beispiele gezeigt. Dabei ging es um den Einsatz vom IBM-Produkt Maximo Visual Inspection zur visuellen Qualitätskontrolle in der Schaltschrank-Fertigung. Mit Google haben wir ein Minimal Viable Product in sehr kurzer Zeit umgesetzt. Ein Werker-Assistenzsystem, das automatisiert Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenträgt. Die Ergebnisse – und deshalb ist es ein GenAI-Projekt – werden voll-automatisiert in beliebigen Sprachen ausgegeben, obwohl die Anwendung in Deutsch entwickelt und realisiert wurde.
Es spricht sich herum, was ONCITE DPS kann. Es war das erste System, das für Catena-X zertifiziert wurde. Nun zieht dieses Netzwerk der Automobilindustrie Kreise, und mehr und mehr Unternehmen sehen, dass sie schon bald nach europäischem wie deutschem Recht, Stichwort Lieferkette, nachweisen müssen, welchen Weg ihre Bauteile hinter sich haben. Alle Herausforderungen, mit denen die Industrie in der nächsten Zeit konfrontiert ist, rufen nach einer kurzfristigen und sehr effektiven Lösung, wie wir sie mit ONCITE DPS bieten.