1968 gegründet, ist KEBA mit der Zentrale im österreichischen Linz als Automatisierer auf verschiedenen Feldern unterwegs. Bei KEBA Industrial Automation sind Hard- und Software Lösungen für die industrielle Automatisierung beispielsweise für Robotik und Kunststoffindustrie das Hauptgeschäft. KEBA Handover Automation spezialisiert sich auf Lösungen für die kontaktlose Übergabe, etwa für Banken und Paketdienstleister. Und KEBA Energy Automation entwickelt und produziert Wallboxen für Elektro-Fahrzeuge.
Industrial Automation ist der größte der drei Geschäftsbereiche und beschäftigt den Großteil der Mitarbeiter. KEBA ist mit 26 Niederlassungen in 16 Ländern weltweit vertreten.
Interview mit CSO Martin Schwarz
Im Gespräch mit Industrie-Digitalisierung erläutert Martin Schwarz, seit 2002 bei KEBA und heute als CSO Mitglied der Geschäftsleitung der KEBA Industrial Automation GmbH, die Strategie hinter Kemro X, der KEBA Plattform für industrielle Automatisierung.
Ulrich Sendler: Herr Schwarz, was ist Kemro X, und wie kam es zu seiner Entwicklung?
Martin Schwarz (Foto: KEBA Industrial Automation): Als wir vor zehn Jahren mit der Entwicklung begannen, war die Verfügbarkeit von Echtzeit-Linux einer der Initialtreiber. Damit konnten wir eine offene Plattform bauen und auf den Markt bringen, die eine vereinfachte Zusammenarbeit zwischen den Maschinenbauern, den Endanwendern und Third-Party Integratoren möglich machte.
Statt vieler auf die einzelnen Kunden und ihre Maschinen ausgerichteten Schnittstellen bietet Kemro X offene Standardschnittstellen. Das war es, was unsere Kunden wollten. Unter der Marke Kemro X bieten wir Gesamtlösungen aus Hard- und Software. Die Softwareplattform hat keinen eigenen Namen. Mit Kemro X kann der Kunde alles aus einer Hand von uns haben und sich seine Automatisierungslösung wie aus einem Baukasten zusammensetzen.
Ulrich Sendler: Was heißt bei Ihnen Baukasten? Was sind die Bausteine?
Kemro X Architektur (Grafik KEBA Industrial Automation)
Vollständig Modulare Plattform
Martin Schwarz: Kemro X ist vollständig modular. Für jede Anwendung, für jedes Feature gibt es ein entsprechendes Modul.
Einerseits Funktionalitäten wie Safety oder Visualisierung, andererseits branchenspezifische Module beispielsweise für Robotik oder Spritzguss. Und wenn der Kunde eigene Module hat oder von Dritten integrieren will, dann ist das auf der offenen Linux-Basis kein Problem.
Ulrich Sendler: Seit wann ist die Plattform im Markt?
Martin Schwarz: Wir haben vor vier Jahren mit Pilotprojekten bei einigen Kunden begonnen. Aber den offiziellen Launch gibt es dieses Jahr auf der SPS in Nürnberg.
Ulrich Sendler: Wie hat sich die Offenheit der Plattform ausgewirkt? Haben Sie damit neue Kunden erreicht?
Neue Marktsegmente
Martin Schwarz: Das haben wir, auch wenn wir noch keine Namen nennen können, weil von den Kunden dafür noch keine Freigabe vorliegt. Wir haben ganz neue Marktsegmente neben den bisherigen Hauptzielmärkten für uns geöffnet, etwa Textilmaschinen und Healthcare. Bedarf sehen wir darüber hinaus bei Semiconductor-Herstellern und der Verpackungsindustrie.
Ulrich Sendler: Was hat sich durch die Plattform in Ihrer Produktentwicklung geändert?
Martin Schwarz: Software spielt bei uns schon lange eine bedeutsame Rolle. Heute ist es tatsächlich im Wesentlichen die Software, die auch in unserer Plattform den Unterschied macht. Die Hardware ist schon sehr ausgereift. Aber auf ihrer Basis können wir nun immer mehr Applikationen anbieten, die den aktuellen Bedarf der Kunden treffen. Predictive Maintenance, Diagnostic Services, diverse Software-Services für die Softwareentwicklung beim Kunden, zum Beispiel für dessen Roll-out, um einige bereits vorhandene Module zu nennen. Und aktuell kommt die KI als ganz wichtiges Thema hinzu, auch wenn es um digitale Geschäftsmodelle unserer Kunden geht.
Ulrich Sendler: Auch auf Basis der Plattform?
KI im Fokus
Martin Schwarz: Fast alles entwickeln wir heute auf Kemro X. Circa 80% aller Neuentwicklungen sind Komponenten der Plattform, lediglich der kleinere Teil kundenindividuelle Lösungen. Für die KI ist es in der Industrie wichtig, dass Datenanalyse möglichst nah an der Maschine und nicht in irgendeiner Cloud funktioniert.
Dafür haben wir ein KI-Erweiterungsmodul als Hardware auf Kemro X entwickelt. Das Erweiterungsmodul, das den Namen „AE 550“ trägt, nutzt eine ausgeklügelte Toolchain mit allen Werkzeugen, die zum Sammeln, Verarbeiten und Interpretieren von Daten benötigt werden und umfasst zum Beispiel Bildqualifizierung, Instanz-Segmentierung, Objekterkennung und Greifpunktberechnung. Mit diesem Modul ermöglichen wir Industrieunternehmen den schnellen Einstieg in das Thema künstliche Intelligenz.
Ulrich Sendler: Sind die Module von Kemro X auch als App in einem App-Store zu finden?
KEBA AE 550 (Foto KEBA Industrial Automation)
Martin Schwarz: Nein, derzeit arbeiten wir mit Lizenzen für die Softwaremodule. In der Industrie und von unseren Kunden haben wir noch keine Anfragen für einen App-Store oder für die Verfügbarkeit unserer Apps in einem anderen. Kemro X ist kein Marketplace. Es ist eine Automatisierungsplattform. Die Entwicklung geht in diese Richtung, aber derzeit ist es noch nicht so weit.
Ulrich Sendler: Was kann der Markt als nächste Schritte mit Kemro X erwarten?
Martin Schwarz: Zentrale Entwicklungsthemen sind Safety und Cyber Security. Hier steigen derzeit die Anforderungen durch neue Regelungen wie den Cyber Resilience Act. Und dann die weitere Nutzung von KI. Mit dem Launch von Kemro X auf der SPS Mitte November in Nürnberg werden unsere neuen Anwendungen live zu sehen sein.