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Smart Data für die lebenszyklusbegleitende Informationslogistik

(Erstveröffentlichung FUTUR Ausgabe 1 2016)

Das Fraunhofer IPK begleitet produzierende Unternehmen auf dem Weg in die Industrie 4.0. Während der Fokus vormals auf der selbstorganisierten Produktion lag, rückt nunmehr der gesamte Lebenszyklus in das Blickfeld der Unternehmen. Denn mit der Abkehr von der produktzentrierten Entwicklung hin zur Bereitstellung von kundenspezifischen Gesamtlösungen, müssen Produkt- und Service-Innovationen integriert erdacht, umgesetzt und betrieben werden. Für alle Praktiker, die erleben und erproben wollen wie dies informationsgetrieben gelingen kann, wurde die Informationsfabrik Industrie 4.0 entwickelt. Flankiert von einem Portfolio aus strategischer Beratung sowie Methoden- und Technologieentwicklung setzt das Geschäftsfeld Virtuelle Produktentstehung mit  seinen Kunden so individuelle Forschungs- und  Entwicklungsbedarfe in Lösungen um.

Die digitale Transformation der Produktentwicklung und Produktion verändert schon heute die Art und Weise wie Produkte entwickelt und betrieben werden und führt vermehrt zu disruptiven Geschäftsmodellinnovation. Während große Konzerne ihren Wissens- und Technologievorsprung ausbauen, ist das Thema Industrie 4.0 für den deutschen Mittelstand jedoch wenig greifbar. Das Geschäftsfeld Virtuelle Produktentstehung begleitet daher seine Kunden in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Industrielle Informationstechnik der Technischen Universität Berlin auf dem Weg zur Industrie 4.0. Gemeinsam finden wir Wege wie aus Daten und Informationen Wettbewerbsvorteile werden.

Herausforderung Datenflut

Die Informationstechnik stellt heute Technologien bereit, um in Entwicklung, Produktion und in der Nutzungsphase Daten in einem niemals zuvor gewesenen Ausmaß zu generieren. So produziert eine moderne CNC Maschine bereits jährlich 30TB an Daten. Die Vernetzung aller Lebensbereiche im Internet-of-Thing wird das immense Datenwachstum nochmals beschleunigen. So schätzen Experten, dass sich der globale Datenbestand bis 2020 von 8,6 auf über 40 Zettabyte fast verfünffachen wird. In den dynamischen Systemen der Industrie 4.0 stellt sich die Frage wer oder was, wann, welche Information in welcher Qualität benötigt und welche Daten in Kombination neue Erkenntnisse liefern.

Bild 1: Durchblick im Datendickicht: Smart Data Technologien wie das Information-Dashboard werden an vorhandene Engineering-IT, PLM-Systeme, digitale Zwillinge und das Internet der Dinge angekoppelt. Sie  helfen dabei Zusammenhänge zu erkennen und erlauben es Ingenieuren Industrie 4.0 -fähige Produkte sowie die notwendige Informationslogistik zu entwickeln.

Nicht nur Produktion – Lebenszyklusbegleitende Informationslogistik gestalten

Eine bisher nicht ganzheitlich adressierte Herausforderung besteht darin, die Informationslogistik von der Entwicklung bis zum Produktlebenszyklusende vorzudenken und als integralen Bestandteil der Produktentstehung umzusetzen. Die Fähigkeit Informationsflüsse entlang des Produktlebenszyklus ökonomisch und technisch optimal zu gestalten, abzusichern und zu steuern ist ein Gradmesser für die erfolgreiche Umsetzung der Industrie 4.0. Jenseits der existierenden methodischen u. technologischen Lücke müssen weitere Faktoren berücksichtig werden. So erschweren die Koexistenz von Standards, die durch die Digitalisierung getriebene geografische Egalität der Leistungserbringung und neue Stakeholder die ganzheitliche Informationslogistikentwicklung. Ein Lösungskonzept muss auch berücksichtigen, dass jedes Unternehmen einen individuellen Migrationspfad in Richtung Industrie 4.0 beschreitet.

Bild 2: Das Konzept dahinter: Die Informationsfabrik realisiert den echtzeitfähigen digitalen Zwilling basierend auf Industriestandards und fungiert als Smart Data Lieferant. Am praktischen Beispiel der Losgröße 1 Produktion wird zukünftiges Engineering erleb- und erprobbar.

Mit der Informationsfabrik zum Wettbewerbsvorteil

In Anlehnung an den klassischen Fabrikbegriff, erforscht und entwickelt das Geschäftsfeld Virtuelle Produktentstehung die Informationsfabrik – eine digitale Werkbank deren Erzeugnis der Produktionsfaktor Information ist. Die Informationsfabrik ist eine Plattform, die ein gesamtheitliches IT-Konzept für die Unterstützung der Entwicklung, Produktion und Nutzung von cyberphysikalischen Produkten und Produktionsanlagen im Kontext der intelligenten und selbstorganisierenden Produktionsstäte umsetzt. Unter Nutzung von intelligenten Algorithmen stellt die Informationsfabrik Funktionen zur Verfügung, mit denen Produktentwicklungs-, Produktions- sowie Nutzungszustände visualisiert, analysiert und optimiert werden können. Somit stellt die Informationsfabrik die grundlegende Datenverarbeitungsarchitektur zur Verfügung, die einerseits die relevanten Datenquellen vernetzt und es internen und externen Wissensträgern ermöglicht kooperativ Entscheidung zu Fällen und intelligente Informationslogistik zu gestalten. Anderseits ist die Informationsfabrik der Ausgangspunkt für die nächste Evolutionsstufe der Produktentwicklung – das informationsgetriebene Engineering. Denn hier fließen all die risiko-, markt- und ressourcenbezogenen Informationen aus dem gesamten Lebenszyklus zusammen, die es Ingenieuren ermöglichen optimale Produkte zu entwickeln. Die Informationsfabrik steigert somit die Effektivität und Effizienz ihrer Produktentwicklung.

Zur Erprobung von Industrie 4.0 Technologien und Anwendung wurde am Produktionstechnischen Zentrum die Losgröße 1 Produktionsdemozelle „Smarte Fabrik 4.0“ aufgebaut und mittels des sog. digitalen Zwillings über OPC UA und einer Internet-of-Thing Plattform an die Informationsfabrik angebunden. Der digitale Zwilling sorgt für eine Verschmelzung von realer Produktion und den digitalen Planungs- und Simulationswerkzeugen. Änderungen, ob im virtuellen oder physischen Raum, werden bidirektional synchronisiert. Die Informationsfabrik, als Monitoring- und Steuerungsinstanz, macht die dahinter liegenden komplexen technischen Prozesse transparent und erlaubt es direkt einzugreifen. Um diesen Kern herum ist ein Portfolio an praktischen Lösungen, von haptischen Interfaces bis zur Cloud-Steuerung, entstanden die ein breites Spektrum Anwendungsspektrum abdecken.

Der Autor

M. Eng. Thomas Damerau, geb. 1982, studierte Telematik an der Technischen Hochschule Wildau. Seit 2011 arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Geschäftsfeld Virtuelle Produktentstehung am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK). Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen das Informationsmanagement für die Produktentstehung sowie die aktive Kundenintegration in die Produktentstehung.
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