Bluestar PLM in Microsoft Dynamics F&SCM
Für ein Gespräch über die Implementierung von Bluestar PLM hatte SCANLAB in die moderne, schnell wachsende Zentrale nach Puchheim bei München geladen. Es war ein erfolgreiches Projekt, in dem das Team zusammen mit Microsoft- und Bluestar PLM-Partner Be-Terna weniger als zwei Jahre von der Systemauswahl bis zum Go-live brauchte. Und das bei gleichzeitiger Implementierung der beiden zentralen IT-Systeme für ERP und PLM. Die Experten gaben Einblick in Technologie und Prozesse hinter den Produkten und das breite Spektrum der Anwendungen, für die führende Unternehmen in aller Welt auf die Produkte von SCANLAB setzen.
SCANLAB Hauptsitz in Puchheim bei München (Copyright SCANLAB)
Dr. Uwe Megerle, Leiter der Entwicklungsabteilung für Laser-Scan-Systeme, führte durch die Fertigung, erläuterte die Bandbreite des Portfolios und stellte das Unternehmen vor. Rubin Scheibe, PLM & CAD Solution Architect, beschrieb den Weg des Konstruktionswesens bei SCANLAB von dem anfangs – wie in vielen jungen Unternehmen – manuellen Management der Entwicklungsdaten zur Einführung von umfassendem PLM mit einer anspruchsvollen Zukunftsperspektive. Und Stephan Veverka, zuständig für IT-Business Applications, zeichnete den Sprung nach, den SCANLAB mit dem Wechsel auf das Cloud-native Doppelpack vor allem in Produktion und Auftragsabwicklung gemacht hat.
Technik vom Feinsten
Als der Münchner Hersteller EOS mit seinen 3D-Druckern erfolgreich wurde, erwies sich 1990 die Ausgründung von SCANLAB als gute Idee. 3D-Druck gehört nach wie vor zu den Hauptanwendungen von SCANLAB-Geräten.
Aber auch Schweißen, Schneiden, Perforieren, Markieren, Medizin- und Verpackungstechnik – für dutzende Industriebranchen sind Laser-Scan-Systeme eine Schlüsseltechnologie. Dr. Megerle sagt stolz, dass SCANLAB mit seinen Geräten weltweit in fast allen Bereichen führend ist. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Er stellte eine ganze Reihe von Produkten vor, die sehr unterschiedliche Größen, Anwendungsmöglichkeiten und Leistungsstärken aufweisen. Im Kern sind die Standard-2D-Scan-Systeme aus ähnlichen Hauptkomponenten aufgebaut: Die quaderförmigen Gehäuse beinhalten zwei spezialisierte Spiegel auf je einem hochpräzisen Galvanometer-Motor, die zugehörige Elektronik sowie eingebettete Software zur Ansteuerung. Zusammen ermöglichen diese Komponenten die äußerst schnelle und genaue Positionierung und Führung von Laserstrahlen in X- und Y-Richtung über das zu bearbeitende Werkstück. Das Portfolio umfasst außerdem Z-Achsen, höher integrierte Mehrachssysteme, Echtzeit-Ansteuerkarten, Software und einiges mehr.
(Skizze eines Laser-Scan-Systems (Copyright SCANLAB)
SCANLAB ist in gut drei Jahrzehnten auf rund 500 Mitarbeiter gewachsen. Die meisten sind in der Zentrale bei München beschäftigt, stammen jedoch aus 36 verschiedenen Ländern. Mit circa 40.000 Geräten erzielte der Hersteller im Jahr 2023 einen Umsatz von 144 Millionen Euro. Der Erfolg basiert auf einer hoch qualifizierten Mitarbeiterschaft, die quer durch alle Unternehmensbereiche etwa zur Hälfte aus Ingenieuren und Wissenschaftlern besteht.
Das besondere Know-how steckt in der Ingenieurskunst einschließlich der embedded Software, in der Kenntnis des Zusammenspiels der benötigten Komponenten und in der Produktion. Die Fertigungstiefe ist dabei gering. Alle selbst entwickelten Bauteile werden von Firmen produziert, die auf entsprechende Teile spezialisiert sind.
Das Design beruht in der Mechanik zu hundert Prozent auf 3D-Modellierung mit Solid Edge. Die Elektronik setzt auf Altium Designer. Für die Softwareentwicklung kommen verschiedene Tools zum Einsatz. Die Daten aus der Entwicklung – die Systeme sind in Bluestar PLM integriert – bilden dann die Grundlage für Bestellung und Auftragsvergabe an die Lieferanten.
Produktion bedeutet bei SCANLAB Montage, Kalibrierung und Test an meist eigenen Vorrichtungen und Systemen. Kleinserien sind vorherrschend, Massenfertigung wie bei Konsumgütern gibt es praktisch nicht. Der Kunde ist die Industrie, nicht der Endverbraucher.
Rubin Scheibe, PLM- und CAD-Solution Architect (Foto Sendler)
Stephan Veverka, IT-Business Applications (Foto Sendler)
Wachstum erzeugt doppelten Bedarf
Erfolg und Wachstum führten zur Suche nach zentraler IT-Unterstützung. Erst stand in der Entwicklung die Frage eines geeigneten Tools für PLM auf der Agenda. Rubin Scheibe sagt: „Die ständig wachsende Zahl der Ingenieure und Designer, die bei uns täglich an der Entwicklung so vieler Geräte arbeiten, brauchten PLM als zentrales, elektronisches Management für ihre großen Datenmengen.“ Zigtausende Designmodelle und Zeichnungen lassen sich nicht mit manuellen Mitteln verwalten.
Dann veränderte sich die Ausgangslage, weil auch die Produktion mit der vorhandenen IT nicht mehr zufrieden war. Stephan Veverka beschreibt den damaligen Ablauf so: „Wir hatten ein Team für Artikel-Daten-Management (ADM), das auf Basis persönlicher Erfahrungen mit den Vorgaben und Daten aus der Entwicklung die Stücklisten erstellte und auch für deren Änderungen zuständig war. Eine digitale Verbindung zwischen Entwicklung und Produktion gab es nicht. Die Stückliste war im Wesentlichen ein Papierdokument. Diesen Bruch in der Prozesskette wollten wir beheben.“
Das schließlich gewählte Doppelpack aus Microsoft Dynamics F&SCM und eingebettetem Bluestar PLM deckt nun die Bedarfe von Engineering und Produktion ab. Es funktioniert wie ein einziges System, welches nun das ganze Unternehmen unterstützt.
Saubere Daten und Klassifizierung sind die Basis
Im Juni 2024, nur sechs Monate nach Produktivschaltung, ist die Entwicklung hinsichtlich der Arbeitsweise nicht wiederzuerkennen. Dabei haben die Mitarbeiter neben ihrer Entwicklungstätigkeit die Aufgabe übernommen, Teil für Teil alle Daten ins Bluestar PLM zu übernehmen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass diese Daten vollständig gepflegt sind.
„Wir konnten vorher ohne PLM nicht verhindern, dass immer wieder Teilmodelle neu erzeugt und unter neuen Namen abgespeichert wurden,“ erklärt Rubin Scheibe. „Jetzt sind schon 80 Prozent aller Daten bereinigt und von solchen letztlich überflüssigen, doppelten Teilen befreit.“
Doch die Einführung von PLM wurde gleichzeitig genutzt, um mit dem Bluestar PLM Modul ‚Produktklassifikationen und Attribute‘ eine Klassifizierung einzuführen. Jede der vier Entwicklungs-Abteilungen hat einen Verantwortlichen für die Klassifikation. Die automatische Namensbildung über die Klasse und die Attribute ist ein enormer Vorteil. Die Benennung eines Gehäuses soll auf einen einzigen Blick Auskunft darüber geben, welche Maße es hat, welche Oberflächenfarbe (beispielsweise S für Silber), und aus welchem Material (beispielsweise Al für Aluminium) es besteht.
Schon etwa 60 Prozent aller CAD-Daten sind klassifiziert und damit schnell und sicher zu finden. Das schiebt unnötigen Neuerfindungen einen dicken Riegel vor. Die Attribute sind sowohl eindeutig als auch einmalig. „Verlässlichkeit und Nachverfolgbarkeit sind die wichtigsten Vorteile, die wir schon haben,“ sagt Rubin Scheibe. Das heißt auch: Die Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Produktion sowie anderer Bereiche auf Basis solcher Daten ist spürbar einfacher geworden.
Automatisierte Fertigungsstückliste
Ein gutes Beispiel dafür ist die nun bei SCANLAB genutzte Funktionalität des Bluestar PLM Moduls ‚eBOM/mBOM‘. Er sorgt dafür, dass aus der in der Entwicklung entstehenden Engineering Stückliste (eBOM) automatisiert eine Fertigungsstückliste erzeugt wird. Somit gibt es kaum noch Unterschiede zwischen CAD-Modell (eBOM) und Fertigungsstückliste. Ausnahmen bilden kleine Änderungen an der mBOM für Artikel, die nicht physisch existieren, beispielsweise die Firmware.
Eine „immense Verbesserung“, so Rubin Scheibe: „Mit dem eBOM/mBOM Builder kann die Engineering Stückliste auch Abweichungen zur Fertigungsstückliste abbilden. Produktionsspezifische Anpassungen sind nur in der Fertigungsstückliste nötig, nicht im CAD.“
Zufrieden ist er auch mit den seit der PLM-Einführung stark veränderten Prozessen rund um die Stückliste: „Jeder Ingenieur hat jetzt die volle Kontrolle und Verantwortung für die Stückliste des zu bauenden Systems. Damit ist er vom Design bis zum Prototypen voll verantwortlich für das, was in der Produktion ankommt und verbaut wird.“
Stephan Veverka bestätigt: „Die Daten sind immer aktuell. Die mBOM bietet automatisch die neueste freigegebene Version. Das führt zu erheblich weniger Fehlern in der Produktion. Die Qualität ist deutlich besser geworden und wir können den sehr hohen Ansprüchen der Kunden noch besser gerecht werden.“
Change Management und Konfigurator
Erst seit wenigen Wochen im Einsatz ist ein weiteres Modul: ‚Engineering Change Management (ECM)‘. An einem Beispiel veranschaulicht Rubin Scheibe die Bedeutung für SCANLAB: „Beim Ersatz eines Elektronik-Boards durch ein neues war es früher schwieriger zu analysieren, welche unserer Systeme davon betroffen sind. Die Definition des korrekten Umstellungszeitpunktes war sehr aufwändig. Control-Boards sind schließlich Standardteile, die in vielen unterschiedlichen Systemen zum Einsatz kommen. Mit dem ECM-Modul ist das jetzt einfach. Man sieht nicht nur sofort, welche Systeme betroffen sind, sondern auch, welche Ausrüstung dafür gebraucht wird. Zum Beispiel irgendeine Testvorrichtung, die bei uns für dieses Board genutzt wird. Oder die Systeme, bei denen das Board nicht getauscht werden darf. Mit der Festlegung des Gültigkeitsdatums können Stücklistenänderungen jetzt sehr präzise gesteuert werden.“
Ein anderes Bluestar PLM Modul mit Namen ‚Produktkonfiguration‘ ist noch auf der Agenda. Sowohl Dr. Uwe Megerle als auch Rubin Scheibe hoffen stark, dass in nächster Zeit der beste Use-case für den Einstieg gefunden wird. Denn je größer die Variantenvielfalt bei den Systemen, desto schmerzhafter macht sich die Schwierigkeit bemerkbar, dass auch alle Standardteile derzeit noch manuell mit den die Variante ausmachenden Komponenten zusammengebaut werden.
dynAXIS 421 Galvanometer-Scanner für medizinische und wissenschaftliche Anwendungen, mit unterschiedlichen Spiegel-Varianten und Ansteuerkarten (Copyright SCANLAB)
Dazu kommt von Rubin Scheibe ein Beispiel aus seiner Zeit der Einarbeitung. Wenn man beim Befestigen eines Spiegelelements, das ein Standardteil ist, nicht exakt das richtige Mittel und die richtige Vorrichtung verwendet, kann das ganze System unbrauchbar werden. Die Variantenvielfalt ist auch einer der Gründe, die die Automatisierung der Produktion erschweren.
„Alle arbeiten mit Bluestar PLM“
Seit Ende 2023 sind Bluestar PLM und das Microsoft Dynamics F&SCM bei SCANLAB produktiv. Das Erstaunliche ist nicht nur die kurze Zeit von Entscheidung und Implementierung. Auch wenn es noch einige Themen zu bearbeiten gibt, ist es fast verblüffend, wie sehr sich schon im ersten Halbjahr der Nutzung die Prozesse zum Besseren gewendet haben.
Auf die Frage, wie viele Mitarbeiter heute mit Bluestar PLM arbeiten, antwortet Rubin Scheibe lächelnd: „Alle. Auch wenn sie nicht selbst Daten damit erzeugen oder ändern. Denn alle Konstruktionsdaten stecken jetzt in Bluestar PLM. Was auch immer damit in Microsoft Dynamics F&SCM oder mit anderen Tools gemacht wird – alle greifen auf Bluestar PLM zurück.“