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Sind branchen- und fachübergreifende Messen sinnvoll? Können sie sich – nach den Erfahrungen von drei Jahren Pandemie – gegenüber Fachkongressen und themenspezifischen Veranstaltungen halten? Nachdem unter anderem ABB und AUCOTEC in diesem Jahr nicht auf der Hannover Messe ausstellten, fand ich es interessant, ein Stimmungsbild von einigen Ausstellern einzuholen. Auch wenn es nur einzelne Beispiele sind, geben sie doch einen Eindruck, welche Überlegungen eine Rolle spielen.

Hier das Interview mit Andreas Schünemann, Leiter Marketing und Service, AUCOTEC AG.

Ulrich Sendler: Herr Schünemann, wie ist die Haltung von Aucotec zu Messen nach der Pandemiepause?

Andreas Schünemann, Leiter Marketing und Service, AUCOTEC AG (Foto Schünemann)

Andreas Schünemann: Das Wort Pandemie müsste hier eigentlich nicht stehen. Wir sehen vor oder nach der Pandemie keinen Unterschied. Ich glaube aber, dass in der Pandemie ein Faden gerissen ist zwischen Messebesuchern, Ausstellern und Messegesellschaften. Für Aucotec war die Pandemie aber nicht das Entscheidende. Aucotec hat sich im Fachbeirat der Hannover Messe viele Jahre engagiert. Trotzdem haben wir die Hannover Messe schon zwei Jahre vor der Pandemie für uns in Frage gestellt. Schon ein Jahr vor der Corona-Pause wussten wir, dass es wahrscheinlich unsere letzte Teilnahme dort sein würde.
Die starke horizontale Ausrichtung der Hannover Messe ist für uns nicht mehr ideal. Die Messe ist uns zu breit aufgestellt, zu wenig spezifisch, zu ungenau. Und das gilt für viele große Messen.

Einzige Ausnahme unter den Großveranstaltungen ist für uns die alle drei Jahre in Frankfurt stattfindende Achema, weil diese große Fachmesse ganz speziell auf die chemische Prozesstechnik ausgerichtete ist. Unsere Themen sind darüber hinaus sehr viel spezifischer geworden. Im Segment Automotive und im Bereich Mobility im Allgemeinen konzentrieren wir uns beispielsweise auf das Harness Design. Mit unserer Plattform lässt sich der digitale Zwilling jedes Bordnetzes bis ins letzte Detail erstellen . Hier stehen also ganz spezielle Anforderungen im Vordergrund. Nur um ein Beispiel zu nennen. Natürlich sind wir aber auch auf speziellen Fachmessen und Kongressen in anderen Branchen zu finden.

Online Events haben sich nicht bewährt

Ulrich Sendler: Haben Sie Erfahrung mit Online-Events gemacht?

Andreas Schünemann: Ja, wir haben in der Pandemie wirklich alles ausprobiert, an allen Formaten teilgenommen. Das Ergebnis war durchweg nicht zufriedenstellend. Es sind reine Passiv-Events, unidirektional, bei denen kein wirklicher Austausch zwischen Veranstalter und Teilnehmer zustande kommt. Solche Veranstaltungen haben eher den Charakter von Profil-Websites auf Online-Plattformen. Sie decken überhaupt nicht die Erwartungen, die man typischerweise an einen Messebesuch hat. Vorerst kommen diese Formate nicht mehr in Frage, die Versuche während der Pandemie haben das aufgezeigt.

Ulrich Sendler: Welche Veranstaltungen sind für Sie interessant?

Andreas Schünemann: Das sind Kongresse mit und ohne Fachausstellung. An einer begleitenden Fachausstellung beteiligen wir uns immer, wenn sie angeboten wird. Wir streben darüber hinaus an, Teil der Kongresse zu werden und uns stärker zu integrieren, sie thematisch zu begleiten, Vorträge zu halten, als Sponsor aufzutreten. Die wichtigen Segmente für uns sind der prozesstechnische Anlagenbau, die Energie-Infrastruktur und mobile Maschinen. Da finden wir viele Top-Veranstaltungen, sehr gezielt, sehr vertikalisiert, sehr zielgruppenspezifisch. Dieses Jahr sind es über 40 Veranstaltungen weltweit, an denen wir in dieser aktiven Form teilnehmen, neben Veranstaltungen in DACH über Skandinavien, Indien, China bis in die USA. 2023 sind wir allein auf vier Veranstaltungen zum Thema Wasserstoff vertreten.

Ulrich Sendler: Welches sind Ihre Hauptgründe für Beteiligung an Messen und ähnlichen Veranstaltungen?

Andreas Schünemann: Bestimmte Parameter müssen gegeben sein. Zum Beispiel erwarten wir, dass ein Multi-Level-Ansatz möglich ist. Das heißt, die Veranstaltung muss so interessant sein, dass sich auch Entscheider dorthin begeben und wir uns mit ihnen austauschen können. Zum Beispiel Verbandsveranstaltungen wie die Achema. Der zweite Parameter ist aus unserer Sicht die Internationalität. Wenn es eine internationale Ausrichtung des Events gibt, dann erwarten wir durchaus 40 Prozent Auslandsbesucher. Bei manchen sehr segmentspezifischen Veranstaltungen wie der InnoTrans in Berlin für den Bereich der Schienenfahrzeuge und der Signaltechnik ist die Quote der internationalen Besucher noch deutlich höher. Der dritte Parameter: Neukontakte stehen bei uns im Vordergrund. Auch an der Zahl der Neukontakte messen wir unsere Beteiligung.

Andreas Schünemann (Foto Schünemann)

Entscheidend sind aber auch die Fachgespräche, die unsere Mitarbeiter mit den Besuchern führen können. Ob Messe oder Kongress, das Thema muss so klar sein, dass dort unsere Experten genau auf die Fachleute treffen, mit denen sie sofort ins Gespräch einsteigen können. Je breiter eine Messe aufgestellt ist, desto weniger trifft dies zu.

Ulrich Sendler: Welches sind Ihre Ziele als Aussteller?

Andreas Schünemann: Neue Märkte und neue Kontakte stehen absolut im Vordergrund. Und natürlich kommen immer wieder Kunden, die ein neues Thema mit uns aufgreifen wollen, etwa, wie die Digitalisierung im Unternehmen am sinnvollsten angegangen werden kann.

Ulrich Sendler: Wie entscheiden Sie, welche Veranstaltungen für Sie die richtigen sind?

Andreas Schünemann: Dazu gibt es Prozesse, bei denen die Verantwortlichen für den Markt und für die Region, die für die Produktlösung Verantwortlichen und das Marketing immer wieder überprüfen, welches die wichtigsten Veranstaltungen sind, bei denen wir unsere Ziele erreichen können.

Diese Entscheidungen treffen wir jedes Jahr aufs Neue. Auf welchen Events Sie uns im nächsten Jahr finden, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, das ist in der Planung. Ausgenommen die nächste Achema, die 2024 stattfindet. Da nehmen wir definitiv teil.