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Für Aras brachte 2021 viele Neuigkeiten. Neue Investoren haben die Mehrheit der Anteile übernommen und das Vorstandsteam wurde neu aufgestellt. Könnte Aras in den kommenden Jahren zu einem neuen Schwergewicht in der PLM-Branche werden? Die wichtigsten Punkte in Kürze und ein Gespräch mit dem Vizepräsidenten für Europa, Stéphane Guignard.

Aras hat seit 2021 eine neue Führung. Im Oktober wurde Roque Martin zum CEO ernannt und folgt damit auf den Gründer und langjährigen CEO Peter Schroer. Roque Martin kommt von PTC zu Aras, wo er zuletzt als General Manager des Geschäftsbereichs Systems and Software Engineering Solutions tätig war. Zuvor war er bei IBM. Peter Schroer sagte über seinen Nachfolger: „Roque verfügt über weitreichende Erfahrung in der Arbeit mit den größten Unternehmenskunden und hochkomplexen Anwendungsfällen – damit ist er ideal geeignet, um das künftige Wachstum, die Skalierbarkeit und die Rolle von Aras als Branchenführer weiter voranzutreiben.“

Im selben Monat wurde der langjährige CEO des Simulations- und Berechnungssoftware-Anbieters Ansys, James Cashman, in den Vorstand von Aras berufen. Zu seiner Rolle sagte Peter Schroer: „Jim wird eine zentrale Rolle bei unserer Expansion spielen. Damit werden wir das Wertversprechen von Engineering- und Fertigungssoftware für große Unternehmen im Cloud-Zeitalter neu definieren.“

Das waren die sichtbarsten Veränderungen, nachdem die Investmentfirma GI Partners einige Monate zuvor, im April 2021, als Mehrheitseigentümer bei Aras eingestiegen war. Travis Pearson, Managing Director und Co-Head of Private Equity bei GI Partners und jetzt auch Mitglied des Verwaltungsrats von Aras, sagte, das Hauptziel der Investition sei es, „das Unternehmen für nachhaltiges Wachstum zu skalieren und ein zukunftsorientiertes Team aufzubauen.“

Stéphane Guignard ist als Vizepräsident für Süd-, Mittel- und Nordeuropa zuständig. In einem Interview kurz vor Weihnachten gab er Auskunft darüber, wohin die Aras-Reise global und hier im deutschsprachigen Raum geht, in einer Industrieregion, die auf der Stärke und einer enorm hohen Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen basiert.

Ulrich Sendler: Stéphane, was wird sich durch die Mehrheitsbeteiligung von GI Partners und das neue Managementteam ändern?

Stéphane Guignard: Wie bei unseren PLM-Wettbewerbern lag unser Hauptaugenmerk lange Zeit auf der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Aber unsere Plattform – und das ist ein Grund, warum GI-Partners sich für uns entschieden hat – kann viel größere Zielmärkte bedienen. Damit haben wir bereits in den letzten Jahren erfolgreich begonnen und werden dies nun noch intensiver tun. Microsoft ist einer unserer wichtigen und großen Kunden. Zahlreiche Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, wie Banken, aber auch Pharmaunternehmen, Medizintechnik und Arzneimittelhersteller wie Dräger oder Konsumgüterproduzenten wie Philip Morris zeigen, dass unser PLM-Angebot viel breiter ist als nur für die diskrete Fertigungsindustrie. Ein Impfstofflieferant muss neben seinen Rezepturen auch genau wissen, welche Materialien und Komponenten in seiner Anlage über den gesamten Lebenszyklus verwendet werden. Und er muss jederzeit nachweisen können, dass er alle geltenden Vorschriften, wie zum Beispiel die FDA-Vorschriften in den USA, genau eingehalten hat.

Ulrich Sendler: Kürzlich wurde bekannt, dass Aras mit dem Release 14 neue Upgrade-Zyklen einführen wird. Können Sie das den Lesern etwas näher erläutern?

Stéphane Guignard: Wir bieten unseren Kunden an, dass sie ab sofort alle fünf Wochen neue Versionen nutzen können. Das ist die Zeit, die unsere Entwickler brauchen, um neue Teile der Plattform zu entwickeln, zu testen und zu integrieren. Und wenn die Kunden wollen, können sie ab dieser Version 14 genauso schnell und regelmäßig die neueste Version nutzen.

Das müssen sie aber nicht. Sie können auch zwei oder mehr Upgrades überspringen und dann ohne Probleme auf die jeweils aktuelle Version umsteigen. Und das gilt sowohl für die Vor-Ort-Installation, die nach wie vor von einem Großteil unserer Kunden bevorzugt wird, als auch für die Nutzung von Aras Innovator als Software as a Service (SaaS). Bei den Releases gibt es überhaupt keinen Unterschied. Außer natürlich, dass sie selbst dafür sorgen müssen, dass die neue Version bei der Installation vor Ort aktiviert und getestet wird.

Ulrich Sendler: Welchen Aufwand bedeutet ein Upgrade für den Kunden?

Stéphane Guignard: Der größte Teil war schon immer das Testen. Die Installation ist eine Sache, aber es ist entscheidend, sicherzustellen, dass alle unternehmensspezifischen Anforderungen genauso gut oder sogar besser erfüllt werden als mit der vorherigen Version. Und dieser Aufwand schrumpft heute dramatisch. Wir bieten unseren Kunden seit einem Jahr ein Test Automation Framework (TAF) an. Es ermöglicht die Modellierung aller jeweils zentralen Tests, auf deren Basis dann ein automatisiertes Upgrade möglich ist. Die Modellierung der Tests, die sich mit eventuellen Ergänzungen oder Änderungen für alle zukünftigen Upgrades verwenden lassen, kann jeder Kunde selbst oder können unsere Mitarbeiter vornehmen. Auf diese Weise ist ein Upgrade keine wochenlange Baustelle mehr, sondern kann je nach Umfang der Tests über Nacht oder in ein bis zwei Tagen abgeschlossen werden. Und natürlich: Langfristig werden die meisten Kunden unsere Plattform sicherlich in der Cloud nutzen. Da haben sie mit dem Upgrade gar nichts mehr zu tun. Übrigens ist diese Umstellung genauso einfach. Für den Anwender ändert sich im Umgang mit der Software und der verfügbaren Funktionalität gar nichts.

Ulrich Sendler: Bringt die neue Version auch grundlegende Änderungen in der Architektur der Plattform?

Stéphane Guignard: Nein. Die Architektur ist die gleiche geblieben. Als Basis gibt es die Kerndienste oberhalb der SQL-Datenbank, die es der Modellierungs-Engine ermöglichen, die vielfältigen Anwendungen zu generieren. Diese wiederum können über jeden erdenklichen Client vom Desktop bis zum Smartphone genutzt werden. Was sich geändert hat und unsere Plattform jetzt noch flexibler macht, ist die Tatsache, dass die Kerndienste nun auf .NET Core basieren. Für den Anwender bedeutet das keine Veränderung in der Nutzung der Software, aber alles ist spürbar performanter und einfacher zu bereitzustellen, auch auf Linux-Cloud-Containern.

Ulrich Sendler: Aras bezeichnet Aras Innovator als Low-Code-Plattform. Was hat es damit auf sich?

Stéphane Guignard: Wir sprechen gerne darüber, nachdem es bei unseren Mitbewerbern in Mode gekommen zu sein scheint, dem Kunden ein Low-Code-Tool anzubieten, mit dem er einfache Ergänzungen zur Software erstellen kann. Unsere Plattform hingegen war von Anfang an eine Low-Code-Plattform in diesem Sinne. Wenn man bestimmte Anpassungen an einer Funktion vornehmen möchte, um seine spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen, muss man kein Informatiker sein. Wer Compliance-Regeln mit seinem Datenmanagement verknüpfen will, muss keine Programmiersprache beherrschen. Aras Innovator ist mit einem integrierten Editor so einfach anzupassen und dedizierte Anwendungen lassen sich so einfach hinzufügen, wie es sonst meist nur mit einem zusätzlichen Low-Code-Tool möglich ist.

Ulrich Sendler: Können Sie dafür ein konkretes Beispiel geben?

Stéphane Guignard: Ein Beispiel wäre die Rules-Engine, die es ermöglicht, Geschäftsgebaren und Regeln einfach und ohne Programmierung durch logische Regeln zu implementieren, die von Administratoren definiert, gepflegt und auf beliebige Konzepte oder Objekte einer Aras-Anwendung angewendet werden.

Wie man mit Aras die Konfiguration eines digitalen Gewindes visualisieren kann, ohne Anzeige- und Navigationsoptionen zu programmieren

Interaktive Erstellung von FMEA-Rastern in Aras ohne Programmierung zur Erfassung von PLM-Daten, die bei Produkt- oder Prozessänderungen kontinuierlich synchronisiert werden

Ulrich Sendler: Und was werden die nächsten Versionen nach der 14 bringen?

Stéphane Guignard: In den nächsten Monaten werden Sie unter anderem eine Erweiterung der Anpassungsmöglichkeiten sehen, die ich gerade beschrieben habe. Außerdem werden weitere Funktionalitäten wie die Regel-Engine hinzukommen. Genaueres steht in den spezifischen Ankündigungen der neuen Funktionen bei jeder neuen Version. Bei uns geht es schneller voran als anderswo, das ist sicher.